Yoga
Amnesie
Späti Palace
VÖ: 16.09.2021
Alles auf Null. Alles auf Anfang. Mit “Amnesie” veröffentlichen die bereits 2013 gegründeten Yoga endlich ihr Debütalbum auf Späti Palace. Elf zeitlose Songs, die gekonnt zwischen Independent und artigem Post-Punk wandeln. Ein Album, dass sich schnell wie ein vertrauter Freund anfühlt und der sich jetzt zwischen Messer, Die Nerven, Trümmer oder Ja,Panik! berichtigter Weise nach vorne schiebt.
Mit dem lethargisch kunstvollen Track “Dead Sea Salt” führen Yoga den Hörer behutsam an “Amnesie” heran. Der sich langsam aufbauende und hinten raus dynamisch verzerrte Track kündigte bereits im Frühjahr den bevorstehenden Gedächtnisverlust an. Doch zum Glück erinnern wir uns an Bilder und tonale Zusammenhänge. Denn wenn man Yoga einen gewissen Raum zur Verfügung stellt, muss sich keiner hier den Kopf zerbrechen und wird mit einer gewissen Vertrautheit gefüttert. Bestenfalls musikalisch. Erinnert der Sound der Band durchaus an das Umfeld, in dem sich das Trio Alexander Roth, Elias Hock and Markus Kastrop bewegt. Die Wände, Trucks, Kala Brisella, Videowelt, Adventure Team. Dabei beherrschen Yoga wie bei “Dead Sea Salt” oder “Café Eden” die langsamen oder wie bei “Tristessa” und dem gekonnten “Geisterstadt” vor allem die groovigen Mid-Tempo Nummern. Das knackige “Zimtzucker”, die zwischen Pop und Post-Punk aufgewirbelten Ausbrüche im Titeltrack “Amnesie” sowie das rhythmisch unentschlossene “Tahiti” verschaffen dem Album daneben eine gelungene Abwechslung. Unentschlossen ist sicherlich an manchen Stellen auch der Hörer. Denn lyrisch beschmeißen dich Yoga zeitweise mit Kryptonit. So schnappst du Textfragmente auf, bei denen du dich im Bernsteinzimmer wiederfindest, den Kuss von Gustav Klimt als Liebesorakel wahrnimmst oder du Passagen registriest, in denen es über Verbannung, Manipulation oder Skepsis geht. Besondere Verbundenheit erfahre ich im Song “Tristessa”, in dem Alexander Roth über die Stärke unserer Traurigkeit philosophiert. Warm ums Herz wird mir darüber hinaus bei dem kurz vor Schluss wie ein Zwischenstück wirkenden Track “Gleiches Holz”. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Yoga aber längst mit melancholisch einwirkender Dissonanz und dazu asynchron laufenden Popwellen in meinem Herzen festgespielt.
Yoga veröffentlichten Ende 2015 ihre erste EP “Azur” und konnten damit in Fachkreisen schon für große Aufmerksamkeit sorgen. Die Band schaltete aber einen Gang zurück und brachte erst Anfang 2019 ihre zweite EP “Projektil” heraus. Nach dieser wurde es aber ruhiger um das Berliner Trio. Das für ursprünglich 2020 geplante Debütalbum “Amnesie” war bereits vor der Corona-Pandemie fertiggestellt worden. Trotzdem spiegelt der Grundcharakter von “Amnesie” die letzten 20 Monate treffend wider und beschenkt uns zudem mit einem starken Herbstsoundtrack.