Yellowknife
Retain
Grand Hotel van Cleef
VĂ–: 21.09.2018
“… 2013 grĂĽndete Tobi Mösch das Projekt Yellowknife, um seiner Liebe fĂĽr US-Songwriter Ryan Adams und Emo-Indie wie Last Days Of April oder Death Cab For Cutie freien Lauf zu lassen.”
Danke Fleet Union, damit habt Ihr mich schon in der Einleitung des Pressetextes zu diesem Album gehabt. Wer verweist denn 2018 noch auf Last Days Of April? Richtig, niemand. Umso schöner, dass sich auĂźer mir noch jemand an die tolle Band um Sänger und Gitarristen Karl Larsson erinnert. Kurzer Exkurs: Alle mal nach dem Album “Angel Youth” suchen (gibt ja genĂĽgend Streaming-Dienste) und das Album am StĂĽck genieĂźen. Was fĂĽr eine tolle Band das war/ist.
Aber hier geht es nicht um alte Lieblingsbands, hier geht es um eine aktuelle Veröffentlichung einer etwaigen neuen Lieblingsband. Denn, soviel sei schon hier gesagt, “Retain” ist ein wirklich gutes Album geworden. Nicht weil die einzelnen Songs so toll wären, denn einen richtigen Hit kann ich gar nicht so richtig ausmachen. Nein, die Homogenität ist es, die das Album so toll macht. Dabei fällt die erste Single “A Saturday” tatsächlich etwas ab, während die zweite – “In Basements” – schon sehr nah an den fehlenden Hit herankommt. Wie sagt Tobi Mösch so schön: “Der Song glorifiziert die engen, rumpeligen und teils schimmeligen Kellerräume, in denen ich seit Jahren mit meinen Bands stehe.” Ich erinnere mich noch an den letzten Proberaum meiner Band. Der stank so widerlich, dass man nach der Probe nicht nur duschen, sondern auch alle Klamotten sofort in die Waschmaschine packen musste. Wenn man dann noch darĂĽber nachdenkt, dass so ein Raum 200 Euro Miete pro Monat kostet… lassen wir das.
Kommen wir zurĂĽck zu “Retain”, dem zweiten Album von Yellowknife. Hier geht es thematisch, wie so oft, um persönliche Beziehungen, um die eigene Leidenschaft oder die Lebenseinstellung, die mit dem Leben als Musiker einhergeht. Dazu kommt, dass sich die Lebensumstände von Tobi Mösch geändert haben. Vom Rhein an die Elbe, das verkraftet eben nicht jeder. Immerhin war es nicht Berlin, denkt der Rezensent. Aber so ist es eben, ein Neuanfang braucht eine Konstante. Und die finden Menschen wie Tobi (und ich) eben in der Musik. Im Falle von “Retain” scheint aber auch der Musikstil eine Konstante zu sein. Denn wenn wir ehrlich sind, hätte das Album auch 1994 erscheinen können. Yellowknife hätte mit alten, fast schon vergessenen Indie-Bands wie Seesaw oder Soulmate touren können, und alle hätte zusammen nach dem Konzert noch ein Bier inmitten des leicht angeschlagenen Publikums getrunken. Bodenständig und Sympathisch.
Ich habe in den vergangenen Tagen kein Album öfter gehört, als “Retain”. Die Grundstimmung ist herbstlich, unaufgeregt und mit einer leichten Melancholie versehen, was mich gerade sehr abholt. Musikalisch ist es ein klassisches Indie-Rock-Album, welches ehrlich gesagt keine neuen Erkenntnisse bringt. Aber fĂĽr mich braucht es das auch nicht. Songs wie “The Twist” oder “Don’t You Ever Arrive” sind auch so toll. Also Tobi, alles Gute in Hamburg, und grĂĽĂź mir die Jungs. Ich hoffe sehr, ganz bald bei einem Eurer Konzerte an der Theke zu stehen.
Die Vinyl-Auflage des Albums kommt ĂĽbrigens mit CD und den Texten auf der InnenhĂĽlle und zu einem sehr fairen Preis.