Turbostaat
Uthlande

PIAS
VÖ: 17.01.2020

Ich persönlich finde es ja immer ein bisschen schwierig, neue Turbostaat-Alben zu besprechen. Das liegt zum einen daran, dass sich die Band in den vergangenen beiden Dekaden eine eigene kleine Nische geschaffen hat, in die zwar viele andere Bands hinein wollen, aber am Ende eben unverkennbar nur Turbostaat Platz haben. Trotz steter Weiterentwicklung erkennt man die Band aus Norddeutschland eben sofort. Zu markant ist die Stimme von Sänger Jan und zu unverwechselbar das gemeinsame Gitarrenspiel von Rollo und Marten. Das führt dann dazu, dass man eigentlich schon alles über die Band geschrieben oder gelesen hat. Zum anderen muss man sich auch lyrisch immer sehr intensiv mit dem beschäftigen, was uns die Band vorsetzt, da die Texte häufig in Metaphern um die Ecke biegen, die man auch erstmal verstehen muss. Das heißt, entweder man klammert diese Komponente aus oder man begibt sich immer ein wenig ins Risiko, komplett am Thema vorbei zu interpretieren. Vor allem dann, wenn man noch nicht mit der Band über das Album sprechen konnte.

Mit “Uthlande” veröffentlichen Turbostaat also ihr siebtes Studioalbum. Und man durfte im Vorfeld gespannt sein, wie die Band mit der Tatsache umgehen würde, dass sie mit “Abalonia” (2016) ein absolutes Meisterwerk des deutschsprachigen (Post)-Punk veröffentlicht hat. Die Antwort ist einfach. Denn mit der ersten Vorab-Single “Rattenlinie Nord” hat die Band bereits im Oktober 2019 gezeigt, dass 2016 immer noch Luft nach oben gewesen ist. Was für ein brillanter Brecher dieser Song doch ist. Mal ganz davon ab, dass er thematisch so eindeutig und so aktuell ist, dass es fast schon schmerzt. Auch die zweite Single “Ein Schönes Blau” hielt einen Monat später das Niveau, so dass (zumindest bei mir) eine gewisse Vorfreude einsetzte. Im Gegensatz zu “Rattenlinie Nord” besticht die zweite Single durch einen treibenden, aber eben auch sehr melodischen Refrain.

Jetzt veröffentlicht die Band am Freitag also “Uthlande” – das neue Album. Der geneigte Hörer darf sich nun endlich durch die 12 neuen Songs arbeiten und dabei musikalische Nuancen entdecken, die man vorher so von Turbostaat noch nicht gehört hat. Es dürfen die Fäuste in die Luft gestreckt werden, weil die Aggression ein steter Begleiter der zum Teil etwas ruhigeren Songs geblieben ist. Hier zeigt sich übrigens, welch große Rolle die Rhythmus-Fraktion aus Bass und Schlagzeug für die einzelnen Stücke spielt. Darüber hinaus gibt es weiter Textzeilen, die man sich auch auf den Oberschenkel tätowieren würde, weil sie eben so treffend sind – auch wenn man sie vielleicht aus dem Gesamtzusammenhang reißt. Und man darf sich weiterhin sehr sicher sein, dass Turbostaat diese authentische Band ist, die man sich als Fan eben wünscht.

Ich könnte nun noch über das hervorragende und straff nach vorne treibende “Heilehaus” (was ein Hit) schreiben oder das ungewohnt poppige “Brockengeist” loben, an dessen Ende sich wohl ein Ton Steine Scherben-Zitat befindet, das ich aber nicht erkenne, da mich die Band um Rio Reiser nie wirklich interessiert hat. Ich könnte aber hier auch einfach Schluss machen (bevor ich mich weiter um Kopf und Kragen schreibe) und vom wahrscheinlich besten und homogensten Turbostaat-Album aller Zeiten sprechen. Ich freue mich jedenfalls schon sehr darauf, die Songs auf der kommenden Tour live zu erleben.

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