Es muss 1999 gewesen sein, als ich meine Karriere als Konzertveranstalter und Label gestartet habe. Damals, im Jugendzimmer eines Musikers in der Eifel, bekam ich eine 10inch in die Hand gedrückt. Eine 10inch – das Format hatte ich vorher noch nie gesehen. Auf dieser Schallplatte waren acht Songs einer Band, die Lightsome hieß. Von den acht Songs würde ich heute die Hälfte einfach weg ignorieren. Die andere Hälfte ist aber dermaßen brillant, dass ich mir erst vor Kurzem noch mal eine hab schicken lassen, da ich meine offensichtlich verschenkt habe (so etwas verliert man ja nicht).
Um es kurz zu machen, ich habe Lightsome auf ein Konzert in die Eifel gebucht und mich mit den Bandmitgliedern Achim, Andreas, Alex und Erik angefreundet. In den darauffolgenden Jahren sollte ich auf meinem neu gegründeten Label zwei Split-7inches und ein ganz tolles Album veröffentlichen (“The Essential Thing…” findet Ihr auf den gängigen Streaming-Portalen, Anm. d. Red.). Trotz guter Kritiken und zahlreicher Konzerte im In- und Ausland sollte das Album nicht so recht zünden. Und so folgte, was vielen Bands in diesen Phasen passiert – der Fokus verschiebt sich. Familien wurden gegründet, die Berufswahl verfrachtete Teile der Band ans andere Ende der Republik und irgendwie war im normalen Berufsleben angekommen wohl auch die Luft ein bisschen raus. Zwar blieben die Vier Freunde und im regen Kontakt, spielten auch mal ein Konzert akustisch zu dritt oder nahmen ein paar Songs mit einer Sängerin auf, aber die Lightsome, wie ich sie lieben gelernt hatte, gehörten von nun an der Vergangenheit an.
Aber irgendwie haben die Jungs immer noch Bock. Und da die Hälfte der Band weiß, wie man bei einer Albumproduktion die richtige Knöpfchen drückt und dreht, wuchs in den vergangenen Monaten der Wunsch, doch noch mal ein paar Songs von früher fertig zu machen und aufzunehmen. Drei davon gibt es nun digital auf Spotify und Co. Unter dem Namen “One Past Part 1 & 2” veröffentlichen Lightsome drei tolle Songs irgendwo zwischen gemäßigtem Skate-Punk, Emo und Indie-Rock.
Das treibende “Confusion” erinnert dabei an die ungestüme Zeit, in der die Band Lagwagon-hörend durch die Gegend gefahren ist. Der tolle Refrain und die gewohnt exzellente Gitarrenarbeit machen den Song zu einem wirklichen Highlight und zeigen, was damals alles möglich gewesen wäre. “Slowing Down” wiederum ist mehr Indie-Rock. Früher hätte man das vielleicht ins Emo-Genre gepackt. Aber das verbietet sich heute irgendwie. Die markante Stimme von Sänger Alex und der hymnische Übergang in den Chorus beweisen, dass sich die/eine Band auch über weite Entfernungen und einen längeren Zeitraum weiterentwickeln kann. Die überaus gelungene Produktion erkennt man erst beim zweiten bzw. dritten Hördurchgang. Und auch wenn ich im ersten Moment etwas gefremdelt habe, “Slowing Down” ist wohl einer der stärksten Songs der Band überhaupt.
Mit “Rainy Day” gibt es dann noch einen Song der Debüt-10inch in einem neuen druckvollen Gewand. Den Song fand ich früher schon sehr gut, jedoch etwas schwachbrüstig. Dieser ‘Fehler’ wurde mit der neuen Produktion behoben. Auch 22 Jahre nach Erstveröffentlichung ist dieser Song ein solider Pop-Punk-Song mit Ohrwurm-Charakter.
Während wir vor 20 Jahren über eine 7inch nachgedacht oder CD-Rs gebrannt hätten, veröffentlicht die Band die Songs weit ab einer breiten Öffentlichkeit über Streaming-Plattformen. Die Zeiten ändern sich und es macht für eine Band wie Lightsome auch Sinn nicht noch einmal in physische Tonträger zu investieren. Für ‘Musikjournalisten’ wird es jedoch schwierig solche Veröffentlichungen zu fassen und – wenn nötig – zu kategorisieren. Was ist “One Past Part 1& 2”? Eine EP? Eine Single? In diesem Falle ist mir die Antwort total egal. Es ist eine alte Liebe, die durch drei neue Songs neu angetriggert wird. Und das haben in diesem Jahr noch nicht viele Alben oder EPs geschafft. Wir machen bei I CAN GUARANTEE “One Past Part 1& 2” schlichtweg komplett zum Tune of the Week.