Ich weiß gar nicht so recht wo ich anfangen soll, denn es ist immer eine Freude, wenn die Weakerthans live spielen. Vorprogrammiert sind große Gefühle und eine gute musikalische live Show. Ja, es ist fast so, als wenn Freunde auf der Bühne stehen. Ich denke andersherum ist es auch bei den sympathischen Kanadiern aus Winnipeg so. Schließlich verbinden die Weakerthans eine Menge mit Deutschland seit sie vor einem guten Jahrzehnt gemeinsam mit Tocotronic hier unterwegs waren. Freundschaften zu Kettcar und Tomte entwickelten sich. Mittlerweile kann man wohl die halbe Mannschaft vom Grand van Cleef als Weakerthans Fan Club bezeichnen. Seis drum, Recht haben sie auf jeden Fall mit ihrer Liebe.
Obwohl die Herren John K Samson, Stephen Carroll, Greg Smith und Jason Tait seit 2007 kein Studioalbum mehr veröffentlichten, sind die Kanadier dieser Tage für einige Shows nach Deutschland gekommen. Im letzten Jahr gab es natürlich noch die tolle Live CD/DVD Live at the Burton Cummings theatre und zwischendrin ebenfalls die fabelhaften kleinen EPs von Sänger und Texter John K Samson (City route 85 und Provincial road 222). Obwohl nichts brandneues auf dem Markt ist, kamen die Fans und Konzertgänger zahlreich. Das Lido war ausverkauft. Abermals sehnte man sich nach den rauhen Rockhymnen und nach den gefühlsbetonten Balladen, nach den langgezogenen Riffs und der Poesie in den Texten.
Reunion tour machte den gewohnten seichten Einstieg in ein jedes Weakerthans Set. Das rockige Tournament of hearts folgt. Gewohnt sicher in der musikalischen Darbietung – die ersten Gitarren werden schon typisch in die Höhe gestreckt. Der unglaubliche Bewegungsdrang von Bassist Greg Smith ist bewundernswert – bei den Temperaturen im Berliner Lido. Denn die gefühlten 35° und die stehende Luft im Lido, lassen einen bereits im Stehen schwitzen. Nach den ersten beiden Songs, die beide vom letzten Studiowerk Reunion tour stammen, folgen zwei Songs der Ära Reconstruction site. Gleichnamiges und der Up-Tempo-Schunkel-zum-Liebhaben-Song Benediction. Jeder Song erntete, ungelogen, frenetischen Applaus. Obwohl die Weakerthans sicherlich ihrer Sympathien in Deutschland bewusst sind, merkt man ihnen die Freude an der Reaktion des Publikums an. Mit Aside und Leash geht es zurück in die Anfangszeit der Weakerthans. Vom ersten Album Fallow, das noch etwas rauher und aggressiver klingt. Der Punkrocker (Aside) und das leicht Sperrige (Leash), welches in meiner Erinnerung nicht all zu häufig den Weg ins Set findet. The Reasons rockt nach 8 Jahren immer noch. Erstaunlich was vier Akkorde erreichen können. So simpel und doch so wirksam – inklusive Gitarrenchoreo. Nach diesem Rockakt brauchten die vier Musiker um John K Samson erstmal eine Pause. Neben den drei Stammkräften der Kanadier, ist es diesmal und auch nicht zum ersten Mal Imaginery cities Frontmann Rusty Matyas der die Weakerthans mit Gitarre, Trompete und Keyboard unterstützt. Allein auf der Bühne steht Samson da nun und was folgt war vielen wohl klar. Nach dem vorgetragenen Gedicht über den Eishockeytorwart Gump Worsley ertönten die ersten Noten von One great city!. “My face was my mask” heißen die letzten Worte in Elegy for Gump Worsley, doch dann ließ Samson aber doch die Hosen runter, denn die Darbietung von One great city! und auch dem anschließenden Bigfoot! sind schon äußerst intim. Mit geschlossenen Augen, stets klarer Stimme und Worten die ganz tief ins Herz eindringen. Die Abwechslung der Weakerthans, so vieles kombinieren zu können, sucht ihres Gleichen. Balladen, Hymnen, knackige Rocknummer, Country und Pop – alles da! So langsam kamen die Klassiker dran: Plea from a cat named Virtute, This is a fire door never leave open und Left and leaving. Letzteres in einer Liveversion, wie ich sie selten gut gesehen und gehört habe. Das große Improvisieren ist nicht die Weakerthans‘sche Sprache, aber die Genauigkeit mit der live gespielt wurde, die Klarheit in jedem kleinsten Percussion Ton Jason Taits oder die zauberhafte Melodieführung Stephen Carrolls auf der Lap Steel Gitarre, schlichtweg toll. (Manifest) macht das Hauptset voll und brachte einen wieder einmal schönen Abschluss.
My favorite chords ließ noch einmal Gänsehaut hervorkommen und beeindruckte mit der zur Hälfte des Songs einsetzenden Bandunterstützung. Auf Wunsch vieler Zuschauer folgte Pamphleteer. Was für eine Ehre – war es doch letztendlich eine Textzeile dieses Songs, welche den Ausschlag gab für den Namen dieses Blogs. Kaum zu beschreiben dieses Gefühl. Obwohl auch Pamphleteer nicht sonderlich große Facetten hat, musikalisch schafft es dieser Song ganz besonders Einzuwickeln. Die einfachen Akkorde, die Stimme, der Text. Für die Emotionen die übermittelt werden, reichen manchmal einfach keine Worte aus – zumindest nicht für Fans. Noch einmal wurde gerockt: Confessions of a futon-revolutionist zeigte wieder die fetzige Seite des aus dem Punkrock entstandenen Vierers (heute Fünfers). Night windows, welches wie das schon vorher im Set auftauchende Sun in an empty room durch die Inspiration des Malers Edward Hopper entstanden ist, folgte als Abschluss. Und so schließen sich die Fenster und alle werden hochzufrieden in die Berliner Nacht entlassen. Als nach dem Verlassen der Bühne und der schon einsetzenden Musik vom Band, die Band wohl unplanmäßig die Bühne nochmal betrat, hatten sich einige Zuschauer schon auf das Verlassen des Lidos vorbereitet. Doch da standen sie noch mal und zauberten mit dem zweiten Teil der Geschichte um die Katze Virtute (Virtute the cat explains her departure) abermals ein würdiges Ende hin. Before we say goodnight: I can’t remember the sound that you found for me. Und ob wir uns erinnern können! Zucker!
“All I ever wanted was here in my arms.” (Faint of hearts, Maritime)