The Get Up Kids
Problems
Polyvinyl Records
VÖ: 10.05.2019
20 Jahre ist es nun her, dass die Get Up Kids mit “Something To Write Home About” eines der wichtigsten “Emo”-Alben überhaupt veröffentlichten. Mit Songs wie “Ten Minutes”, “Holiday” oder auch “I’m A Loner Dottie, A Rebel” sprachen die Jungs aus Kansas City einer ganzen Generation aus dem Herzen. Diese Gefühlswelt können die Get Up Kids mit “Problems” natürlich nicht mehr hervorrufen, trotzdem ist das neue Album der Band um Sänger Matt Pryor ganz fantastisch geworden.
1999 gab es noch kein YouTube und auch Streaming-Dienste waren in weiter Ferne. Wenn man neue Musik kennen lernen wollte, gab es entweder Radio (für uns damals keine Alternative), Musikfernsehen (schon damals auf dem absteigenden Ast) oder klassisch den Plattenladen bzw. den Mailorder des Vertrauens. Angesagt damals vor allem Label-Sampler. Zumindest habe ich haufenweise Zusammenstellungen von Deep Elm Records, Vagrant Records oder Doghouse zu Hause rumfliegen. Über diese Sampler habe nicht nur ich einen Haufen grandioser und wichtiger Bands kennen gelernt. So auch The Get Up Kids. Auf dem Doghouse Records-Sampler zur 50. Veröffentlichung des Indie-Labels befand sich damals der mir noch unbekannte Song “Don’t Hate Me”, den ich sofort toll fand. Auf “Another Year On The Streets” von Vagrant gab es zeitgleich eine alternative Version zu “I’m A Loner Dottie, A Rebel”, die mich einfach umgehauen hat. Seit dem Tag bin ich Fan der Get Up Kids.
Dass man als Fan auch schwierige Zeiten mit einer Band durchstehen muss, wird wohl jeder schon mal erlebt haben. Egal, ob Fußball- oder Musik-Fan, es gibt einfach Enttäuschungen, mit denen man umgehen muss. Bei den Get Up Kids waren die besonders hart. Denn nach “Something To Write Home About” kam erst mal nichts. “On A Wire” und “Guilt Show” waren vom damaligen Standpunkt nämlich ziemlich enttäuschend. Heute schaut man natürlich etwas altersmilde auf die Alben zurück und findet auch hier gute Songs (vor allem “On A Wire” wächst über die Jahre). Aber damals kannte ich so gut wie niemanden, der ein gutes Haar an der Band gelassen hat. Umso gespannter war man, als 2010/2011 mit “Simple Science” und “There Are Rules” neue Veröffentlichungen anstanden. Aber auch hier, die Get Up Kids hatten jegliche Magie verloren und waren nur noch ein Schatten ihrer selbst. Also Haken dran. Es gab ja genügend okaye Seiten- oder Soloprojekte der einzelnen Bandmitglieder sowie die alten EPs und Alben.
Acht Jahre später. Aus dem off erscheint mit “Kicker” eine neue EP. Vier Songs, vier Hits. Die alte Liebe nach ziemlich genau acht Sekunden wiederbelebt. Wahnsinn, dass man sich mit 40 allein aufgrund von ein paar Songs wieder wie 18 fühlen kann. Nun also “Problems”, das Comeback-Album der Get Up Kids. Schon beim Opener “Satellite” merkt man, dass die Band ihren Frieden mit ihrer Vergangenheit gemacht hat. Keine Experimente, kein Abwarten… ein Song, wie zu besten Zeiten. Ein Song um Bier kalt zu stellen und im Wohnzimmer mit der Faust zur Decke und dem Kind im Arm vor sich hinzutanzen. Ganz ehrlich, ich liebe es. Zumal “Problems” das Niveau auch halten kann. Einen richtig schwachen Song kann ich nicht ausmachen (max. “Advocate” fällt etwas ab). Okay, die Band kann das Tempo und die Spannung nicht bis zum Schluss halten. Aber das braucht sie auch gar nicht. Die Stücke sind toll und die Grundstimmung erinnert an die Zeit, als “Emo” als Genre noch für fantastische Bands stand.
Die Get Up Kids sind also wieder da. Familienmenschen mit normalen Jobs, die ganz offensichtlich wieder Bock auf Musik haben und keinen Druck mehr verspüren müssen. Das macht “Problems” zu einem wirklich schönen Sommeralbum, das auch im Regen funktioniert. Wie damals, als “Something To Write Home About” der Soundtrack zu jeder Gefühlslage wurde. Ich bin auf jeden Fall wieder Fan.