Die Temperatur-Anzeige an der Straße zum Gloria zeigt 33 Grad an. Nicht unbedingt das angenehmste Wetter, um sich die Zeit in einem vollgepackten Konzertsaal zu vertreiben. Und so sitzen noch einige dutzend Konzertbesucher auf dem Bürgersteig vorm Gloria und trinken sich in Laune, während sich drinnen bereits die beiden Vorgruppen Bloodhype und The Frights bemühen, das noch etwas träge Publikum zu begeistern. Man merkt, dass ein Großteil des Publikums ausschließlich gekommen ist, um Taking Back Sunday zu sehen, die auf der aktuellen Tour ihren 20. Geburtstag feiern.
Das erste Mal live gesehen habe ich Taking Back Sunday 2004 im Bürgerhaus Stollwerck. Damals war die Band aus Long Island gerade auf dem Sprung in ihrer Heimat zu echten Superstars zu werden. Ihr erstes Album “Tell All Your Friends” hatte sich klammheimlich zu einem absoluten Szene-Hit gemausert, während das zweite Album “Where You Want To Be” bereits kurz nach Veröffentlichung in den Top 10 der amerikanischen Album-Charts landete. Ich kann mich tatsächlich noch gut daran erinnern, wie wir nassgeschwitzt aus dem Konzert kamen und dachten, dass wir gerade die beste Band des Planeten gesehen haben. Ein Zustand der genau ein Jahr hielt. Dann spielte die Band nämlich ein Konzert in der Live Music Hall, bei dem sämtliche Magie verflogen schien.
Heute sind wir dank der Deutschen Bahn bereits vor dem Konzert nassgeschwitzt, was der guten Stimmung und der Vorfreude jedoch keinen Abbruch tut. Zumal das Gloria nicht ausverkauft ist und es im inneren des Clubs tatsächlich recht angenehm ist. Taking Back Sunday spielen heute ihr Debütalbum am Stück sowie im Anschluss ein paar Hits der darauffolgenden Veröffentlichungen. Doch bereits beim Opener “You Know How I Do” die erste herbe Enttäuschung. Der Sound ist dermaßen schlecht, dass selbst Sänger Adam Lazzara etwas irritiert aus der Wäsche guckt. So schief, wie er die ersten Minuten singt, scheint er sich auch nicht richtig zu hören. Glücklicherweise bekommt der Mischer das Problem schnell in den Griff, so dass spätestens bei “Cute Without the ‘E’ (Cut from the Team)” im vorderen Drittel des Glorias ganz ordentlich die Post abgeht. Hits wie “Timberwolves At New Jersey” und “You’re So Last Summer” werden frenetisch gefeiert – und das zu Recht. “Tell All Your Friends” ist auch 17 Jahre nach Veröffentlichung ein absolutes Brett.
Wie stark das Album ist, zeigt sich im Anschluss. Denn der Spannungsbogen ebbt direkt nach dem Album ziemlich ab. Dabei sind auch “This Photograph Is Proof (I Know You Know)” oder “Tidal Wave” gute Songs mit Hitpotential. Aber irgendwie ist (zumindest bei mir) die Luft raus. Auf der Bühne scheint außer Lazzara auch niemand so richtig viel Bock zu haben, mehr als unbedingt notwendig abzuliefern, was die zweite kleine Enttäuschung des Abends ist. Etwas mehr Elan dürfte es dann schon sein. Und so toll diese Mikrofon-Moves von Lazzara auch sein mögen, nach dem hundertsten Move verliert es dann doch an Eleganz. Aber sei es drum. Die ersten 45 Minuten war eine ganz fantastische Zeitreise in die gute alte Emo-Zeit, die für mich immer etwas ganz besonderes bleiben wird. Und auch wenn Taking Back Sunday heute vielleicht nicht ihren besten Tag erwischt haben, der Wucht und Strahlkraft ihrer Hits kann das nichts anhaben. Und ein Blick in die Gesichter des in den Kölner Abend verschwindene Publikum verrät – so richtig unzufrieden geht hier heute niemand nach Hause.
Taking Back Sunday – This Photograph Is Proof