Sunny Day Real Estate
The Rising Tide
Universal Records
VÖ: 13.07.2018
Mitte der 1990er-Jahre gab es für mich genau drei Quellen, durch die ich mich über neue Musik informierte. Zum einen war da der Glitterhouse-Mailorder, der damals die Sub Pop-Scheiben in Europa veröffentlichte – für mich extrem wichtig. Zum anderen gab es das Visions-Magazin (deren Ausgaben von 1994 bis 2007 immer noch in meinem Keller archiviert sind) sowie MTVs 120 Minutes, die Sendung, in der Superchunk, Lemonheads, L7 und The Auteurs hintereinander liefen und mich bis heute tief beeinflusst hat.
Mir tun die Kids von heute leid, die über sämtliche Kanäle mit neuer Musik zugeballert werden. Klar, Streaming-Dienste sind eine tolle Sache, aber Sonntagabends vorm Fernseher zu sitzen, um auf das neue Video der Band xy zu warten, um es endlich auf Video aufzunehmen – irgendwie spannend. Und mal ehrlich, wenn ich mir heute das Archiv von 120 Minutes so durchlese und mit meiner Plattensammlung vergleiche, die Schnittmenge ist immens.
1994 war dann auch das Jahr, in dem ich Sunny Day Real Estate als Band kennen lernte. Im Zuge der Grunge-Welle und Sub Pop fand ich Seven, den Song, den die Band als erste Single aus ihrem Debütalbum Diary auskoppelte, schon sehr geil. Umgehauen hat mich dann aber kurze Zeit später In Circles. Das Video dazu hatte ich zufällig auf Sub Pop Video Network Program 3 gesehen (Anm.: zusammen mit Eric´s Trip, Seaweed, Sebadoh, Hazel, Mark Lanegan u.a.). Dieser Song, das dazugehörige Video, die Power und der Stil, alles war großartig, alles war irgendwie neu. Der Song wird wohl ewig in meinen Top 5-Songs aller Zeiten bleiben und begründet meine Liebe zu dieser großartigen Band.
Mit mehr als 200.000 verkauften Einheiten gehört Diary bis heute zu den Top-Sellern aus dem Hause Sub Pop. Es folgte das selbstbetitelte pinke Album und das von Sänger Jeremy Enigk beeinflusste How It Feels To Be Something On. Zwischenzeitlich hatte Enigk nämlich ein erstes Soloalbum veröffentlicht, da die Band für einige Jahre auf Eis lag. Mit How It Feels To Be Something On wechselte der Sound von Sunny Day Real Estate ein wenig. Langsamer und mit mehr Aufwand arrangiert, klang die Band plötzlich erwachsen. Oder langweilig, je nach Betrachtungsweise.
Mit dem hier vorliegenden Album The Rising Tide versuchte die Band, mittlerweile ohne Nate Mendel am Bass (er ging zu den Foo Fighters), nochmal einen Neuanfang. Mit neuem Label im Rücken (Time Bomb Recordings) und wundervollen Songs im Gepäck veröffentlichte die Band ein sehr stilvoll gestaltetes Album, dass damals auf grünem Vinyl wirklich etwas hermachte.
Aber nicht nur optisch war das großes Kino, auch musikalisch besann sich das Trio auf ihre Stärken. Bereits der Opener Killed By An Angel zeigt die Stärke der Band. Die Dynamik des harten Gitarren-Riffs zu Beginn, kombiniert mit dem Wechsel zu Enigks charismatischen und einzigartigen Gesang erfüllt alle Emo-Wünsche. Der wundervolle Rain Song besticht durch ein simples, aber doch sehr schönes Streicher-Arrangement. Somit ist die erste Seite dieser auf DoLP erschienenen Wiederauflage (meiner Meinung nach) bereits den Kauf des Albums wert.
Songs wie Disappear und The Ocean halten das Niveau und machen The Rising Tide zum wahrscheinlich besten Sunny Day Real Estate-Album. Es ist in sich am homogensten, hat wie Diary große Hits, aber eben keine Schwächen, wie es das Debüt hatte.
Kurzer Produkthinweis: Leider fehlt (wie schon bei der Jawbreaker-Weiderauflage zu Dear You) der Download-Code, was ich ein bisschen Schade finde. Das Vinyl ist gut verarbeitet, das Cover als Gatefold recht hochwertig. Ich bin jetzt kein ausgesprochener Soundexperte, was Vinyl angeht, aber auf meiner Anlage klingt das alles auch so, wie es für mich klingen soll. Und deshalb beide Daumen hoch und Respekt, dass Universal diese Alben wieder rauskramt und für Fans wie mich wieder verfügbar macht.