Sløtface
Sorry For The Late Reply
Propeller Recordings
VÖ: 31.01.2020
Sløtface sind mir eigentlich erst seit vergangenen November ein Begriff. Bei einem Konzert im Vorprogramm von PUP überzeugten mich die Norweger mit ihrer energiegeladenen Show und einer Handvoll ganz wunderbarer Punkrock-Bretter. Mit ihrem zweiten Album “Sorry For The Late Reply” verlassen sie diese Punkrock-Pfade und bewegen sich in poppigere Gefilde. Das kann man gut finden, muss man aber nicht.
Seien wir mal ehrlich, viele Bands gehen ins Studio und bleiben da solange, bis alle Kanten einfach weg produziert wurden. Das ist in Ordnung, ich habe nämlich keine Berührungsängste mit ehrlicher und handgemachter Popmusik. Was mich manchmal jedoch stört ist, dass eine glatte Produktion manchmal eben auch den Charme einer Band klaut. Im Falle von Sløtface kann das passieren. Bereits der Opener “S.U.C.C.E.S.S” spiegelt eine Härte vor, die tatsächlich gar nicht mehr vorhanden ist – zumindest nicht auf dem Tonträger. Dann doch einfach gar nicht versuchen hart zu klingen, sondern in Richtung Shoegaze schwenken. Dass darauffolgende “Telepathetic” ist nämlich ein richtig guter Song, der Spaß macht und wesentlich weniger gewollt klingt. Leider wird dieser positive Eindruck dann direkt wieder zunichte gemacht. “Stuff” ist einfach ein schwacher Song, den man auch nicht mit irgendwelchen neuen Einflüssen, die es auf “Sorry For The Late Reply” geben soll, schön reden kann.
Trotzdem hat dieses Album wirklich starke Momente. “Tap The Pack” zum Beispiel ist ein Paradebeispiel, wie es gehen könnte. Ein treibender Beat, eine coole Gesangslinie und das Gefühl zu wissen, wie viel Power der Song in einem vollgepackten Club haben könnte. Da sind sie also, die Punkrock-Wurzeln, auf die sich Sløtface dann doch noch berufen. Auch lyrisch verarbeitet Sängerin Haley Shea die komplette Bandbreite an Themen, die Künstlerinnen und Künstler in dieser Gesellschaft so umtreiben. Hier eine zertrümmerte Beziehung, dort die Rolle der USA in der heutigen Gesellschaft (“Passport”, übrigens auch ein sehr gelungener Song).
Im Vergleich zu “Try Not To Freak Out” (2017) ist das neue Werk des Quartetts etwas vielseitiger und abwechslungsreicher. Die neuen Einflüsse stehen der Band aber nicht zu hundert Prozent. Mir gefiel gerade das etwas rotzigere auf dem Debütalbum. Nun konzentriert sich die Band auf eine differenziertere Produktion und ein ausgefeilteres Songwriting. Herausgekommen ist ein gutes Album, dass trotzdem die ein oder andere Erwartung enttäuschen wird. Aufgrund der zum Teil sehr guten Songs bin ich mir aber sicher, dass “Sorry For The Late Reply” in seiner Gesamtheit wachsen wird – wenn man dem Album die Zeit hierzu gibt. In Zeiten von Streaming-Diensten und einer immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne könnte das aber zu einem Problem werden.