Self Defense Family
Have You Considered Punk Music

Run For Cover Records / ADA
VĂ–: 29.06.2018

Puh, da liefern Patrick Kindlon und seine Self Defense Family keine leicht Kost ab. Das neue Self Defense Family Album Have You Considered Punk Music ist auf der einen Seite eine völlig unerwartete Produktion, auf der anderen Seite aber auch wieder logisch und nach den letzten Veröffentlichungen auch typisch. Fans, die gnadenlosen Post-Punk gemixt mit wĂĽtendem Hardcore erwarten, werden hier wirklich erstmal vor den Kopf gestoĂźen. Im Gegensatz dazu knĂĽpfen Self Defense Family mit Have You Considered Punk Music an den logischen Werdegang an. Somit bewegt sich die Platte in jener Nische, in der die Doppelsingle Bastard Form / Maybe You Could Explain It To Me (2017), die EP Wounded Masculinity (2017) oder die EP Superior (2016) sich schon wiedergefunden haben. Und lässt gleichzeitig die Roughness einer Try Me (2014) Scheibe oder die unbändige Wut in Tracks wie Dave Sim, It’s Not Good For The Man To Be Alone oder Low Beams (Kollaboration mit TouchĂ© AmorĂ©) vermissen. Ein Slowcore, der immer noch seine Basis im Post-Punk findet und geprägt ist von Patrick Kindlons gefĂĽhlsbetonten Predigen, was alles in seinen Augen auf dieser Welt falsch läuft. Ein Ansatz, der gleichzeitig in eine gewisse Trotzigkeit wieder verfällt. “Das Album handelt davon sich mit einer Sache intensiv zu beschäftigten. Und dann fällt dir zunehmend auf, dass sich der Rest der Welt einen ScheiĂźdreck dafĂĽr interessiert. Es ist so ähnlich, wie wenn Leute ĂĽber ihre Katzen reden; sie lieben ihre Katzen und dir sind sie einfach scheiĂźegal.“ Die Lyrics des Albums liegen mir nicht vor, so lass ich diese Aussage hiermit stehen, werde mich aber mit Kindlons Katze rein inhaltlich irgendwann noch auseinander setzen.

Musikalisch mag ich ja die ruhigen Self Defense Family Sachen. Das wirkt auf den einen monoton und langatmig, fĂĽr mich jedoch hat das eine sehr beruhigende und entschleunigende Magie oder wie im Track Certainty Of Paradise eine psychedelisch angehauchte. So packen dich nach mehrmaligen Hören Schönheiten wie The Supremacy Of Pure Artistic Feeling, No Analog Nor Precedent oder das richtig gute The Right Kind Of Adult an den richtigen Stellen und du musst aufpassen, dass du nicht in Kindlons Armen, in seiner Welt gefangen wirst. Ăśberaus betörend und voller Anmut drĂĽcken Self Defense Family hier ihre GefĂĽhlslage durch den Ă„ther. Das Album torkelt leichtfĂĽĂźig Richtung Sonnenuntergang, sagt dir “Hey, lass uns reden oder hör einfach nur mal zu, nur mal kurz”. So wirken die insgesamt 10 Tracks, zum Beispiel in meiner Situation zwischen Konzerten von Turnstile, Fury, TouchĂ© AmorĂ© und Basement, äuĂźerst beruhigend und runterkommend. Die Story steht im Vordergrund, die musikalische Inszenierung hält sich begleitend zurĂĽck und bleibt in einer Post-Punk-nahen Struktur. Nobody Who Matters Cares entwickelt sich zu einem weiteren Highlight in dem Patrick Kindlon tatsächlich versucht zu singen, ja fast schon mit Sing-a-Long CharakterzĂĽgen. Im anschlieĂźenden Doppelpack zum Titeltrack Have You Considered Punk Music und Have You Considered Anything Else spĂĽrst du den wohl grĂĽĂźten Drang des Storytellings der Self Defense Family.

Das Album wurde in weniger als zwei Wochen geschrieben, eingespielt und aufgenommen. Das ist für Self Defense Family eine Ewigkeit, sind alle anderen Sachen bisher noch schneller entstanden. Der Output der Band ist schier unendlich. Das Konstrukt Self Defense Family setzt sich immer wieder aus verschiedensten Musikern zusammen. Kindlon lud alle beteiligten der Self Defense Family ins Studio ein und mit denen die Zeit hatten und kommen wollten, schrieb man zusammen die Songs und nahm meist den ersten Take zur Aufnahme. Have You Considered Punk Music hat eine Idee, eine Story, auf die man sich einlassen muss, mit der man sich beschäftigen muss. Die beiden veröffentlichten Videos geben da einen Einblick und schwimmen in ihrer Umsetzung dokumentarisch kunstvoll gegen den Strom. Nach all den Jahren Self Defense Family in meinem persönlichen Leben, nehme ich dieses Werk nach einer Gewöhnungsphase dankend an. Und so höre ich einfach mal zu, was andere in ihrem Leben erschaffen und erfahren haben.

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