André von Goldmucke startet in seine Sommer-Edition und alle so “Yeah”! Seit einigen Jahren veranstaltet André im Biergarten “Vier Linden” im Düsseldorfer Volksgarten stilsichere Open-Air-Konzerte, die eigentlich immer eine Reise wert sind. Leider scheinen das in der Landeshauptstadt von NRW immer noch viel zu wenig Menschen zu wissen. Es ist eigentlich kaum zu erklären, warum sich gerade einmal 50 Zuschauer*innen zum Eröffnungskonzert von Postcards und Casino Garden verirren.
An den Bands kann es nicht gelegen haben. Die waren nämlich beide super. Aber beginnen wir eine Stunde vor dem Konzert. Jeder, aber wirklich jeder, der mal in Oberbilk gewohnt hat weiß, dass es keine schlaue Idee ist, mit dem Auto an der Mitsubishi Electric Halle vorbeizufahren, wenn dort ein Konzert stattfindet. Leider habe ich nach zweieinhalb Jahren vergessen, dass es so etwas wie Indoor-Konzerte gibt (Heute Megadeath) und stehe mit zwei sehr unzufriedenen Kleinkindern im Stau. Die Parkplatzsuche ist der Hass und nur durch einen netten Parkwächter finden wir zwei schöne Parkplätze am “Vier Linden”. Das Schöne an dieser Location ist die Nähe zum Volksgarten. Eigentlich ist der Biergarten ein Teil des Parks und man kann schön in allernächster Nähe picknicken, mit den Kids den Enten zugucken und dabei dem Soundcheck lauschen. Übrigens, bei der Konzertreihe Darf man sein Essen mit zur Location bringen und vor Ort verzehren oder dort sogar grillen. Total gut.
Pünktlich um 19:30 Uhr beginnen die Wuppertaler Casino Garden. Ich habe erst am Mittag erfahren, dass heute überhaupt eine Vorband mit dabei ist. Google hat ein bisschen geholfen, um mit ein paar Klicks festzustellen, dass die Band recht unbekannt ist, aus dem nahegelegenen Wuppertal kommt und – was am Wichtigsten ist – ein paar richtig feine Songs im Gepäck hat. Also Picknick pünktlich beendet, um zum ersten Song vor der Bühne zu stehen. Das Quartett spielt Shoegaze (oder schreibt man Shoegazing) alter Schule und kann musikalisch absolut überzeugen. Und so spielen sich Casino Garden durch 40 tolle zum Teil ziemlich tighte Minuten, auch wenn die Band in Sachen Bühnenpräsenz noch einen ticken lockerer wirken könnte. Da ich leider noch nicht so firm im Repertoire der Band bin und demnach nicht weiß, welche Songs sie gespielt haben, hier zwei Anspieltipps die Ihr auf den gängigen Streamingdiensten findet: “Summer Vacation” und “Never Change” vom 2021er-Album “Oliver Oliver”.
Postcards konnten mich bereits beim diesjährigen Orange Blossom Festival in Beverungen überzeugen, legen aber heute noch einen drauf. Der Sound sauber und satt, die Band in Spiellaune und Sängerin Julia Sabra mit ganz bezaubernden Ansagen und einer klaren und wundervollen Stimme. Das Trio, ergänzt durch Gitarrist Marwan Tohme und Schlagzeuger Pascal Semerdjian, kommt aus dem Libanon und hat dort ziemlich aufregende Zeiten erlebt. Nicht nur die politischen Proteste vor einigen Jahren spiegeln sich in den Songs und Texten der Band wider, auch die verheerende Explosion in Beirut im August 2020 hat Spuren – nicht nur musikalisch – bei der Band hinterlassen. “After The Fire, Before The End” heißt das starke aktuelle Album von Postcards, von dem auch der Opener des Konzerts stammt. Wie schon beim Orange Blossom bläst “Mother Tongue” zum Sturm und begeistert das kleine aber aufmerksame Publikum sofort.
Während Tohme und Sabra sich an Gitarre, Bass und Keyboard abwechseln, hält Semerdjian im Hintergrund die Dynamik im Blick. Währenddessen singt Sabra bei den ruhigen Stücken so wunderschön, dass man gar nicht weiß, ob man die schnellen Nummern samt Feedback-Orgien jetzt besser finden sollte, oder sich einfach den ruhigen sensiblen Stücken, die zum Teil im extremen Kontrast zu den Klang-Eskapaden stehen, hingeben will. Ich für meinen Teil bin begeistert. Das Publikum spätestens nach “Sea Change”, und der dazugehörigen charmant-emotionalen Ansage, ebenfalls. Ich wiederhole mich, aber was für eine supertolle Band.
Kommen wir also noch einmal zur Landeshauptstadt und den Konzerten in diesem Biergarten zurück. Ich bin ganz ehrlich. Nach Corona muss ich nicht eng an eng in einem stickigen Raum stehen (Stichwort: Megadeath in der ausverkauften MEH). Covid-19 ist nicht vorbei, aber man merkt an allen Ecken, dass die indie-Szene hart damit zu kämpfen hat. Das Konzert von Postcards in Köln musste demnach auch auf den 4.10.2022 (bitte vormerken) verlegt werden. Aber an der frischen Luft und mit genügend Platz könnte man ja mal wieder auf ein Konzert gehen, oder? Und wenn es nur dafür ist, seine eigene Seele und die der Veranstalter*innen und Musiker*innen ein bisschen zu pflegen. Mir hat der Abend gut getan. Und ich wünsche mir heute nichts sehnlicher, als dass diese Band etwas mehr Aufmerksamkeit erhalten könnte. Sie ist nämlich ganz schön toll, und hat es sich verdient.
On Tour:
- 17.06.2022 Kusel – Kinett
- 18.06.2022 Dudelange – Fete De La Musique
- 19.06.2022 Würzburg – Umsonst & Draußen
- 21.06.2022 Hannover – Cafe Glockensee
- 22.06.2022 Langenburg – KGB