Pop Unknown
If Arsenic Fails, Try Algebra
Thirty Something Records
VÖ: Mai 2022
Thirty Something Records ist eine kleine Plattenfirma aus Berlin, die in letzter Zeit mit einer handvoll sehr guter Wiederveröffentlichungen alter Indie- bzw. Hardcore-Alben auf sich aufmerksam machen konnte. So findet man im Shop des Labels Bands wie Starmarket oder Appleseed Cast. Mit den beiden ReIssues “If Arsenic Fails, Try Algebra” und “Summer Season Kills” von Pop Unknown setzt Thirty Something nun erneut ein Ausrufezeichen.
Allerdings finde ich das Thema ReIssues alter Hardcore- oder Emo-Alben mittlerweile fast schon ärgerlich. Oft gibt es mehrere Farben in Kleinstauflage, die man als Pre-Order bestellen kann, nur um dann sechs Monate auf die Platte zu warten. Bekommt man den Start nicht mit, ist die Erstauflage oder die bevorzugte Farbe weg. Klar ist das alles auf Sammler wie mich ausgerichtet, und durch die allgemeine Vinyl-Krise bzw. die Auslastung der Presswerke auch schwieriger zu organisieren, aber so richtig viel Spaß machen tut das nicht mehr. Warum man sich den Start der Pre-Order trotzdem rot im Kalender markiert und Nachts um 0:00 Uhr vorm Rechner sitzt? Weil Alben wie “If Arsenic Fails, Try Algebra” einfach viel zu gut sind und oftmals zum ersten Mal auf Vinyl erscheinen.
Genug gemotzt. 1997 gründeten Gabe Wiley (Mineral) und Tim Lasater (Feed Lucy) Pop Unknown. Die Band aus Austin, Texas veröffentlichte insgesamt zwei Alben und eine EP, bevor sie sich erst einmal wieder auflösten. Die beiden ersten Veröffentlichungen, die wirklich großartige 5-Song-EP “Summer Season Kills” und das Debütalbum der Band “If Arsenic Fails, Try Algebra” begeisterten damals Kritiker und Publikum gleichermaßen. Um die Jahrtausendwende galt Deep Elm Records, wo Pop Unknown damals diese beiden Platten veröffentlichten, als der absolut heiße Scheiß. Bands wie die oben genannten Appleseed Cast, aber auch Brandtson oder Last Days Of April veröffentlichten damals Meilensteine der Indie- und Hardcore-Szene. Da reihte sich Pop Unknown nahtlos mit ein. Dass hier ein Mitglied der großen Helden Mineral am Schlagzeug saß und Songs wie “An Offering” auch noch an selbige erinnerte, half natürlich die Aufmerksamkeit zu steigern.
Was die Band aber eigentlich ausmachte war diese Brillanz epischen Indie-Rock zu spielen, der durch eine tolle Gitarrenarbeit getragen wurde und immer dann um eine gewisse Härte ergänzt wurde, wenn die Lethargie um die Ecke schielte. Der Opener “Head In The Sand” ist perfekt gewählt, das darauf folgende “Half Of Ninety” ein noch größerer Hit. Die Homogenität dieses Albums ist fast schon sensationell, die Hitdichte selbst für die Zeit damals bemerkenswert und Melancholie fast schon lebensbejahend.
Es sind die kleinen Dinge, die mich durch diese beschissene Pandemie kommen lassen. Alben, wie die von Cross My Heart oder Pop Unknown, retten mir mental immer wieder den Tag. Sie haben mir vor 20 Jahren extrem viel bedeutet und sie bedeuten mir heute immer noch sehr viel. Dabei ist mir – zum Leidwesen meiner Frau oder auch meines I CAN GUARANTEE-Chefs Simon – eins aufgefallen: Diese größtenteils gesichtslose und emotionslose aktuelle Musik gibt mir wirklich äußerst selten ein Gefühl von Zuhause. Ich kann damit kaum mehr etwas anfangen. Ein Stück wie “My Own Personal Wedding” (von “Summer Season Kills”) kann ich hingegen morgens um 7 genauso abfeiern, wie abends nach drei Bier in meinem Musikzimmer. Und dieses wohlige Gefühl, dass sich beim Hören solcher Stücke in mir ausbreitet ist es, was für mich Musik ausmacht. Und ganz ehrlich, da kann die neue Idles einfach mal kacken gehen.
Beide Veröffentlichungen sind erstmal auf 600 Stück (unterteilt in vier Farben) limitiert. Ich finde ja, dass beide Schallplatten ein Muss für jede Plattensammlung sind. Also schnell sein.