Oiro
Mahnstufe X
Flight 13 Records
VÖ: 07.02.2020
Seit meiner Zeit in Düsseldorf habe ich die Band Oiro irgendwie ins Herz geschlossen. Der immer mit einer Portion Wortwitz einher gehende, gesellschaftskritische und politische Punk fabriziert nach meinem Empfinden immer noch ein ideales Gemisch aus Subkultur, Kleinkunst, Provinzpunk und Dosenbier. So war das zu ‘Goofy-Zeiten’ auf ihrem Album “Vergangenheitsschlauch” (2008) oder mit “Als Was Geht Gott An Karneval?” im Jahre 2005. Ihre Kneipentour DVD gehört seit ihrem Release 2009 zu den von mir empfohlenen Musikdokus/-filmen aus hiesigen Landen – und wenn ich das so schreibe bekomme ich gleich wieder Lust auf Bier und Punk. Zuletzt konnten die selbsternannten Mofapunks mit “Meteoriten Der Großen Idee” vor fünf Jahren ebenfalls punkten. Nun steht mit “Mahnstufe X” endlich neues Material zur Verfügung und vielleicht waren Oiro in ihren Aussagen und Statements noch nie so politisch direkt wie heute.
Nach dem Rückzug der D-Mark und der nicht nur wortspielmäßig hervorkommenden Oberbilkpunks Oiro stehen die Düsseldorfer für ein soziales, aufgeklärtes und gerechtes Miteinander. Umso erschütternder spiegelt sich die vergangene und aktuelle politische Lage im Lager der junggebliebenen Europapunks wider. Titel und Cover geben die klar politische Richtung vor. Songs wie “Gewalt Am Mittwoch” oder “Talking ‘Bout My Generation” sind die musikalisch verpackten Proteste und Augenöffner. Dabei fangen Oiro nicht unbedingt an, alles direkt bis ins Detail politisch aufzuklären, sondern geben an den richtigen Stellen Denkanstöße, zumindest aber vermittelt die Band Missstände, soziale Ungerechtigkeiten und politisches Unvermögen. So thematisiert die Band die Geschehnisse rund um die Proteste im Hambacher Forst, die Polizeigewalt und den mit diesen Geschehnissen verbundenen Unfalltod des Dokumentarfilmers Steffen Meyn. Begleitet wird der politische Aspekt natürlich immer auch vom gesellschaftlichen. Hier stehen die ersten drei Tracks des Albums (“Fahr Zur Hölle MPU”, “Prepaid-Pleite” oder “Schluckauf”) in fast schon klassischer Oiro-Handhabe im Mittelpunkt.
Musikalisch klingen Oiro etwas sortierter und klarer. Das konnte man aber auch schon auf ihrem letzten Album “Meteoriten Der Großen Idee” hören. Es schütteln dich wie eh und je die unter 2-minütigen Punkrocksongs durch. Ausgefeilter wird es wenn die Songs eine gewisse Post-Punk Attitüde entwickeln und wie bei “Gewalt Am Mittwoch” allein vom Bassspiel melodiös geführt werden. Sowieso klangen Oiro immer besonders stark, wenn die Band sich mehr den Goldenen Zitronen zuwandte als den alten Schlachtrufe BRD Samplern – plump gesagt. Elektronische Spielchen (“Kaktushaut”), ein gelungenes, schwer verdauliches Outro (“Die Meisten Unfälle Passieren Im Krieg”) und ein rumpeliger, künstlerischer Song für die “Kids Vom Hellweg” in Düsseldorf-Flingern.
Der Oiro-Fan wird reichlich gefüttert. “Mahnstufe X” sieht aber weit mehr über den Tellerrand hinaus, als es seine Vorgänger gemacht haben und entwickelt sich von Mal zu Mal weit eingängiger als anfangs gedacht. Produziert wurde die Scheibe von Gregor Hennig und Peta Devlin (Oma Hans). Vielleicht schaffen es Oiro ja, dass der eine oder andere sein Handeln und Denken überdenkt, sich politisch und sozial etwas mehr engagiert. Verkehrt kann das nie sein.