MILITARIE GUN
Life Under The Gun
Loma Vista Recordings / Universal
VÖ: 23.06.2023
Mit ihrem Debütalbum “Life Under The Gun” manövrieren sich MILITARIE GUN ohne Probleme an die vorderste Front eines Genres, dass in den letzten Monaten oft und gerne zum Mainstreamrock rüberschwappt – ohne dabei an Einstellung und Charme einzubüßen. Im (Post-)Hardcore verwurzelt und mit Bands wie Regional Justice Center oder Drug Church verbunden, veröffentlichte die aus Los Angeles kommende Band während der Pandemie drei grandiose, befreiende und gleichzeitig wütende EPs. Im dritten Jahr ihres Bestehens steht nun der erste Longplayer parat. “Life Under The Gun” ist voller Wucht, Eingängigkeit und Coolness, dass ich gefühlt eigentlich nichts mehr anderes hören brauche in diesem Jahr.
Dabei ist der runde und klare Sound nach den ersten Vorabtracks “Do It Faster”, “Very High” und “Will Logic” nicht sonderlich verwunderlich. MILITARIE GUN haben etwas an Knarzigkeit gegenüber den ersten EPs verloren und sind deutlich cleaner geworden. Ein Gespür für Rhythmus, Groove und Melodie schien dem Fünfer eh in die Wiege gelegt worden zu sein. Jetzt ist die ganze Angelegenheit nur noch massenkompatibel geworden. Wären wir in den Neunzigern, würde das Teil unter die Decke gehen. Sind wir aber nicht. So freut sich die Hardcore Szene über noch mehr Aufmerksamkeit und bietet weiteren Bands sich im Fahrwasser von Turnstile, Drug Church, Gel, Scowl und und und treiben zu lassen. Gegönnt sei es allen. Denn man hat nicht den Eindruck, dass irgeneine:r seinen Ursprung ablegt. Nörgler:innen gibt es immer und ich selber gehöre in vielen Bereichen leider auch dazu. Die Fraktion Akzeptanz ist nach meiner Wahrnehmung diesbezüglich aber größer und so sollte auch MILITARIE GUN einen Platz zwischen Masse und DIY finden.
Das Album holt mich einfach von vorne bis hinten ab. Da stört es nicht, dass etwas Verkopftes oder etwas Gefrickel fehlt. Da stört es nicht, dass der Speed und die Roughness Platz gemacht haben für Klarheit und Gradlinigkeit – musikalisch. Dass Sänger Ian Shelton neben dem bockmachendem Sound seine ‘Pissed off’-Attitüde raushängen lässt, für die einen oder anderen an manchen Stellen sogar etwas prollig rüberkommt, beflügelt den gesamten Groove der Platte.
Nach den bereits bekannten drei Tracks zu Beginn des Albums, drückt “My Friends Are Having A Hard Time” technisch zwar auf die Bremse, büßt aber in keiner Weise Energie ein. Der Song entpuppt sich sogar nach und nach zu einem Highlight der 10 Tracks umfassenden Platte. Grade der Anfang kickt. Was zudem kickt sind die Songs “Think Less”, welcher zögerlich beginnt und dann aus dem Nichts nach vorne geht, und “Seizure Of Assets”, der in seiner Struktur aufbricht und der es unter anderem schafft, dass “Life Under The Gun” nicht zu einem Einheitsbrei verkommt. Black Flag, Hüsker Dü, Guided By Voices, Fugazi – irgendwie nehmen all diese Bands aus dem Schrein auf MILITARIE GUN Einfluss. Lehrmeister, wenn es darum geht Kunst aus Negativität zu machen. Hinzu kommt der Cliqueneffekt einer Szene, egal ob L.A., Baltimore, San Diego, Washington oder Boston, die nach wie vor jede Band (US-)Hardcore-Band beflügelt. “Never Fucked Up Once” packt mit seinem Mid-Tempo direkt mein Herz und “See You Around”, mit bealtesquen Sound versehen, ist ein schöner Cut zum Ende des Albums. Mit “Big Disappointment” ist Track Nummer 9 ein alter Bekannter. So war der zweieinhalb Minuten Kracher bereits auf der 2021er EP “All Roads Lead To The Gun II” enthalten. Es erfolgt aber kein simples copy/paste, vielmehr wurde der Track neu frisiert und der Produktion von “Life Under The Gun” angepasst.
“Life Under The Gun” ist knackig, rund, groovt, rockt und kann auch Herz und sollte bei jeder Party ab jetzt dabei sein. Pissed off bei positiver Grundstimmung.
On Tour
supporting Rival Schools:
- 03.07.2023 Berlin, Hole 44
- 04.07.2023 Köln, Gebäude 9