Love A
Meisenstaat

Rookie Records
VÖ: 19.08.2022

Love A sind zurück. Ihr nunmehr fünftes Album “Meisenstaat” dürfte ihren Status als deutschsprachige Ausnahmeband weiter zementieren. Wir bei I CAN GUARANTEE sind so eng mit der Band verbunden, dass eine objektive Plattenkritik gar nicht möglich wäre. Was liegt also näher, als ein Gespräch unter Freunden, quasi Track by Track.

FRAG NICHT

Lasse: Okay, ich gebe es zu. Ich durfte das Album schon vor Monaten das erste Mal hören. Und schon damals sagte ich zu Jörkk, dass “Frag Nicht” ein wahnsinnig guter Opener für das Album ist. Treibend und mit einem absolut krassen Wiedererkennungswert. Auch jetzt kurz vor Veröffentlichung und nach drei veröffentlichten Singles, empfinde ich diesen Song (sehr guter Basslauf übrigens) als den heimlichen Hit des Albums. Perfekter Start.

Simon: Ich hatte bisher aus dem Umkreis der Band gehört, dass das Album sehr gut geworden sein soll. Das machte natürlich umso neugieriger. Erst im Juli hörte ich das Album zum ersten Mal komplett durch. Bei den ersten Tönen von “Frag Nicht” ist es ein Empfinden des gewohnt melodiös gesteuerten Love A-Sounds. Für mich aber dann auch nicht mehr – also kein Hit. Es überwiegt hier für mich eher die Freude, dass da jetzt einfach ein neues Love A-Material kommt.

WILL UND KANN NICHT MEHR

Lasse: Soll ich es verraten? Ich finde Love A gar nicht so gut, wie ich immer tue. Klar, tolle Typen, netter Sänger und ein feines Händchen dafür, den Hall bei Joy Division und alten The Cure-Platten zu klauen. Aber es ist nun mal so, dass mich manche ihrer Songs derart abholen, dass ich unweigerlich eine Gänsehaut bekomme. Textlich werde ich mit “Will und kann nicht mehr” nach mehr als 2 Jahren Pandemie so derbe abgeholt, dass ich es selbst kaum fassen kann. Chapeau, Jungs. Außerdem ist da tatsächlich ein kurzes Gitarrensolo versteckt. Ob Stefan Weyer vorher schon mal eins für Love A eingespielt hat? Vielleicht weiß das ja Simon.

Simon: Ich habe ja mal zu Stefan Weyer bei einem Konzert in Köln gesagt: “Ah hey, du singst doch bei Love A!” Was angesichts meiner Freundschaft zu Jörkk ein so dermaßen bescheuerter Blackout war, dass es mir heute noch peinlich ist. Dabei hat sich Jörkk beim Katerfrühstück in seiner alten Wuppertaler WG mir doch ins Hirn gebrannt und immer wenn er die Küche verließ, fragte mich meine Frau Sabine im Flüsterton: “Ist das nicht der Sänger von Love A?”. Jedenfalls würde ich das mit dem Solo so unterstreichen, da es gefühlt deutlich dynamischer ist und gewollt im Vordergrund steht. Das kenne ich sonst eher selten von Stefan, bzw. der Band. Der Song ist ein Knaller, der aber auch erst wachsen musste bei mir. Textlich sollte der Song wohl jede:n in der Love A Blase abholen und hoffentlich auch darüber hinaus.

MEISENSTAAT

Simon: Titeltracks finde ich per se ja immer kacke. Was natürlich totaler Quastch ist, nur weil ich die ‘Optik’ nicht mag. Ich muss da immer an Downset denken. Downset mit dem Song “Downset” auf dem Album “Downset” – übrigens ein Hammersong, damals. Widerlegt also schon mal meine Theorie. “Meisenstaat” bringt ebenfalls genug Argumente für eine Gegenthese. Der Song fängt zwar musikalisch unentschlossen an, doch bereits nach kurzer Zeit groovt dieser sich dann schneller ein als gedacht. Die druckvolle und Melodie bestimmende Basslinie von Dommes finde ich äußerst gelungen und mega gut. Ich höre hier tatsächlich einen etwas anderen, neueren Love A-Sound heraus. Das Ding muss auf jeden Fall sehr laut aufgedreht werden. Textlich finde ich das bisher am stärksten. So viele Fragen, so viel Unsicherheit, so viel Murks, so viel Achselzucken, alleine gelassen werden, sich verloren fühlen – gut, dass da Love A mit sowas ankommen und ein Stückchen Therapie dir schenken. Auch wenn die Antwort fehlt – die kann ja auch irgendwie keiner geben – und alle zusammen brechen, hilft es einfach hier mit zu schreien.

Lasse: Hast Du eigentlich schon die neue Downset gehört, Simon? Unterirdisch uninspiriert. “Meisenstaat” hingegen ist eine tolle Uptempo-Nummer, die ich unbedingt mal in einem kleinen Club live sehen möchte. Mechenbier mit Schnappatmung und der Ansatz eines Mosh-Pits im Publikum. Knaller.

GENAU GENOMMEN GENUG

Lasse: Ein Song, den ich mir schön hören musste, da er durch den melodischen Refrain etwas ungewohnt daher kommt. Tatsächlich finde ich gerade den Chorus richtig stark. Leider fehlt hier etwas die textliche Tiefe. Aber wenn Mechenbier im Studio so gearbeitet hat, wie er das bei seinen beiden Hauptbands Trixsi und Schreng Schreng & La La  gewöhnlich tut, dann hat er dafür ja eh nur 5 Minuten gebraucht. Kann dann halt nicht immer auf den Punkt sein.

Simon: Ich möchte mir ja eigentlich nicht erdreisten zu sagen, dass der Song genau genommen nicht gut genug ist. Bisher war jeder Versuch sich mir den Song schön zu hören vergeblich. Nur weil jetzt bei Trixsi vielleicht viel mehr ‘gesungen’ wurde, muss das ja nicht bei Love A auch funktionieren. Es fühlt sich so an, als wenn die Band hier einen Touch zu viel Melodie reinbringen wollte. Im Gegensatz zu dir Lasse, komme ich mit dem Refrain nicht so klar. Textlich leider auf den hinteren Rängen, bezogen auf das Album. Nimmt denn da keiner mehr Drogen? Für mich aktuell leider nur ein Lückenfüller.

KLIMAWANDEL

Simon: Auch wenn die Refrainzeile “Es steht und fällt jetzt alles mit dem Wind” bei einem Song wie “Klimawandel” äußerst platt klingt, so kryptisch ist der Song dann textlich wiederum an anderen Stellen. Die typischen Jörkk’schen Ein-Zwei-Wörter-Ausrufe. Interpretationen überlasse ich hier jedem Menschen selbst. Jede:r weiß, um welchen Inhalt es hier geht. Ich werde nicht der einzige Mensch sein, der hier sein/ihr Verhalten wiederfindet. Dicke Pluspunkte für Karls Wirbelstürme am Schlagzeug – das ist doch auch neu, oder? Oder kennst du einen Love A-Song mit großem Schlagzeug-Tamtam, Lasse?

Lasse: Haha… Ich hör da gar kein Schlagzeug-Tamtam. Ich fand den Song lange total doof. Aber gerade fand ich ihn gut. Wahrscheinlich, weil ich so intensiv auf das Schlagzeug geachtet habe.

ANALOG IST BESSER

Simon: Früher war digital besser. Ich muss nochmal reinhören, aber es wird sicherlich keine Anspielung auf Tocotronics Album von 1995 sein, oder doch? Ah ach so, klar darum gehts. Ja, “Analog Ist Besser” – obwohl ich wahrscheinlich gar nicht mehr offline sein kann. Ich muss mal wieder ausbrechen und abschalten. Schade finde ich dann immer, dass die Leute, die damit angesprochen werden sollen, diesen Song wahrscheinlich nie hören. Aber vielleicht reicht es ja, wenn sie mich damit steuern mal weniger Zeit am Handy und im Netz zu verbringen. Melodisch mag ich den Song sehr. Wenn Jörkk mit etwas tieferer Stimme singt, wird mir immer ganz warm im Schoß. Der Song fließt so schön und hat was von einer treibenden NDW-Synthie-1980er Nummer.

Lasse: Textlich natürlich sehr gut, gerade weil Jörkk sich da vor einigen Jahren selbst rausziehen musste, weil er zu intensiv auf den diversen Social Media-Kanälen unterwegs war. Wahrscheinlich auch der Song, der am intensivsten wächst, wenn man ihn drei oder vier mal hört.

Fotos: Oliver Jung

KANN UND WILL NICHT MEHR

Lasse: Jörkk hat mir den Witz mit dem Wortspiel und dem ähnlichen Text der beiden Songs “Kann Und Will Nicht Mehr” und “Will Und Kann Nicht Mehr” ungefähr fünfzehn Mal erzählt. Trotzdem habe ich bei Veröffentlichung dieser Single, der dritten, nicht gerafft, dass es ein anderer Song ist. Ihr merkt schon, haut mich jetzt nicht so um das Ding.

Simon: Ich mag den Bridge-Part. “Überoptimiert und ausrangiert” – den finde ich cool. Einmal heißt es noch “aussortiert” und einmal “abserviert”. Die Folgen und das Erlebte in der Pandemie bieten einfach viel zu viele Bilder, die hängen geblieben sind. Da kann ein Jörkk Mechenbier wahrscheinlich noch zwanzig solcher Songs raushauen. Ansonsten finde ich auch hier, ähnlich wie bei “Genau Genommen Genug”, den Versuch zu singen nicht ganz so gut gelungen. Aber ich will mich da auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Bei jemandem, der in keiner Band spielt und meint er könnte singen, sollte das eh kein Gewicht haben. Songstruktur ist typisch Love A – spielen Stefan, Karl und Dommes wahrscheinlich im Schlaf.

ACHTERBAHN

Simon: War das denn auch eine Single? Das sind doch mittlerweile entweder Video-Singles oder einfach nur Tracks die digital rausgehauen werden. Für mich ist eine Single ja immer noch eine veröffentlichte 7inch oder Maxi-CD. Ok, meine zuletzt gekaufte Single ist echt schon lange her und es ist wahrscheinlich auch einfach sinnlos darüber zu reden. “Achterbahn” jedenfalls wurde als zweiter Vorbote zum Album veröffentlicht und hat mich in Erwartung auf das Album etwas skeptisch gemacht. Kein schlechter Song, aber umgehauen hat er mich bis jetzt auch nicht. Obwohl ich das Schreien hinten raus (“weiterfahhhhhrn / Achterbahhhhhn”) richtig gut finde – nur zu selten höre. Aber ist ja auch nicht meine Platte.

Lasse: Wenn Deine letzte gekaufte Single noch auf Maxi-CD veröffentlicht wurde, dann dürfte das ja locker 20 Jahre her sein. Aber das Thema digital vs. analog hatten wir ja eben schon. “Achterbahn” ist für mich eher einer der Songs, den ich weiterskippe, wenn ich auf der Streamingplattform meines Vertrauens die Vorab-Songs anhöre. In Großbritannien gab es übrigens mal eine Zeit, wo Maxi-CDs mit unterschiedlichen B-Seiten veröffentlicht wurden, um die Single in die Charts zu pushen. Maxi-CDs… tzz.

ALLES IST EINFACH

Lasse: Ich habe jetzt schon ein paar Kritiken zum Album gelesen, die bis dato alle sehr wohlwollend bis euphorisch sind. “Alles Ist Einfach” ist hingegen einer der Songs, die ich schwierig finde. Ich liebe den Bass, den Dommes hier spielt. Der ist mega und erinnert super gut an die musikalisch guten 1980er-Jahre. Aber das war es dann irgendwie auch schon. Hoffentlich spielen sie den live Simon, dann kann ich Backstage gehen und für uns Bier klauen.

Simon: Ja, der Basslauf ist gelungen. Ich mag ja diesen Joy Division-Vergleich nicht. Ian Curtis war nämlich wirklich krank. Was die Strophen anbelangt passt der Vergleich hier aber am Besten. Und bis der Refrain einsetzt, wippe ich auch mit. Dann allerdings würde ich dir folgen Lasse und dir beim Tragen helfen. Ein Bier reicht ja meistens nicht. Für mich etwas zu poppig irgendwie.

AUS DIE MAUS

Simon: Sobald Jörkk im Refrain “…komm doch einfach her und küss mich” singt, muss ich an Kraftklub denken. Das hat bei mir einen etwas faden Beigeschmack, ist aber auch der einzige Meckerpunkt. Denn “Aus Die Maus” ist ein Hit. Klassisch Love A – vor allem mit dem musikalisch, sich aufbauenden Bridgeteil. Kurze prägnante Ausrufe und Mitsing-Refrain. Das ist übrigens schon der zweite Song, der auf den Refrain nach der ersten Strophe verzichtet – das ist doch völlig aus der Mode bei den Algorythmen der Streamingdienste, oder?

Lasse: “Klassisch Love A” damit ist hier eigentlich auch alles gesagt. Immer wieder spannend, dass selbst die schwächeren Songs von Love A besser sind, als die guten Songs anderer Bands.

SCHLUCKEN ODER SPUCKEN

Simon: Spucken. Aber nicht auf Asphalt.

Lasse: Ich finde ja, dass den Jungs am Ende ein ganz klein bisschen die Puste ausgeht. “Schlucken oder Spucken” bleibt mir als Schlusspunkt jedenfalls nicht so wirklich hängen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass “Meisenstaat” ein extrem gutes Album ist, dass alles bedient, was die Zielgruppe erwartet. Mit kleinen Nuancen geht die Band zudem den eingeschlagenen Weg weiter. Was ich ausdrücklich gut finde. Ich will Livekonzerte sehen, ich will mich betrinken und ich will den Jungs auf die Schulter klopfen, weil sie es so sehr verdient haben. Ich vermisse das alles total. Und beim Hören dieses Albums um so mehr.

Simon: Love A anno März 2020 im Zakk in Düsseldorf war mein vorletztes Konzert vor der Pandemie. Untypisch für mich bin ich nach vorne gestürmt und habe in erster Reihe mit geschrien und gesungen. Und ja, da hätte ich jetzt auch Bock drauf. Denn “Meisenstaat” wird sich ohne Probleme in den Love A-Kosmos einfügen und live noch ne Ecke druckvoller sein. Wenn mir auch hier und da was nicht gefällt, soll dass die Freude über das Album und die neuen Songs nicht schmälern. Ich finde das super, dass das alles noch so funktioniert und die Band mit ihren Mitteln was auslösen kann und mir aus der Seele spricht.

➤ Preorder: Love A - Meisenstaat

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