Lingby
Silver Lining
Klaeng Records
VĂ–: 22.02.2019
Mit ihrem drittem Longplayer-Release liefert die Kölner Band Lingby ihr bis heute wohl wertvollstes und persönlichstes Album ab. Dabei bewegen sich die vier Musiker weg von eingängigen Indiepophits, hin zu kleinen nachhaltigen Musikkunstwerken. “Silver Lining” ist ein dĂĽsteres Konzeptalbum geworden, mit viel Schmerz und berĂĽhrend warmen Hoffnungsschimmern.
Es geht um Verlust und die Verarbeitung damit, es geht um das Leben und den Tod. Lingby vertonen in den neun Songs auf “Silver Lining” den unmissverständlichen Zusammenhang beider Themen. Und das auf eine äuĂźerst mutige und persönliche Art und Weise. Denn der Verlust, den Judith und Carmen HeĂź durch den Tod ihres Vaters erlebt haben und erleben, ist real. Ein Junge mit verschmitztem Lächeln hinter vorgehaltener Hand ziert das Frontcover, die zurĂĽckgelassene Clownsbrille am Klavierstuhl ist im Inlay fotografisch festgehalten. Nachhaltig und mitfĂĽhlend wirken die Songs. Ich brauchte ein wenig, um mich der Situation anzunehmen. Ohne diese Zeit bleibt der erste Eindruck der Zerbrechlichkeit bestehen und verweigert dir aus dem Traurigen die Kraft und Hoffnung zu ziehen. Der Abspann läuft und es beginnt “Silver Lining”, mit zart erklingendem FlĂĽgelhorn und klagend einsetzendem Gesang. Der Opener “My Morning Prayer” plustert sich auf und setzt im Mittelteil gleich ein Zeichen wie wuchtig Lingby auf diesem Album auch sein können. Dennoch: musikalisch setzen Lingby vermehrt auf elektronische Elemente ohne dabei ihren zum Markenzeichen gewordenen Bläsersound zu vernachlässigen. Das klingt nach Portishead, nach Björk, Radiohead und Sigor RĂłs, aber auch nach Nostalgie und verwunschenen Soundtrackmelodien. Hypnotisierend und berauschend wenn in “No Place” der konstante Basslauf Stimme und Bläser begleitet – dezent, zurĂĽckhaltend und introvertiert. Bewegend, wenn Judith HeĂź mit ihrer Schwester Carmen in “You” äuĂźerst klar und offen von ihrem Vater erzählen. “The hole you left is overfull / With the tales that made us / We dry our tears with your smile / Our laughter drowns in tears”. Nicht weniger dynamisch ist die Struktur, die zwischen pompösen Klangwelten und choralem Gesang immer wieder Inne hält. “Heaven” ist ein ebenso bewegender Track, der fast noch direkter in seinen Lyrics wirkt. Dazwischen das hektische Beatkonstrukt “Composure” – gefĂĽllt mit Unsicherheit und Angst. Obwohl mit dem Titeltrack das Album ausschlieĂźlich aus Fragen bestehend endet, entwickelt sich ein GefĂĽhl der Liebe und der Hoffnung. Lingby bzw. die Geschwister Judith und Carmen haben längst einen Weg gefunden, den Verlust umzukehren in einen mutvollen und Hoffnung bringenden Begleiter. Mit der Hommage und der musikalischen Interpretation des tiefsten Inneren auf “Silver Lining” umso mehr. Und trotzdem fehlt dem Album keineswegs eine gewisse Griffigkeit, immer mal wieder zwischendurch oder wie in “Redeem The Day” durchweg.
Olaf Opal, der in den Neunzigern Bands wie The Notwist oder Naked Lunch produzierte, war fĂĽr das Mixing verantwortlich. Aufgrund der Thematik von “Silver Lining” rĂĽckte automatisch Judith HeĂź in die Position der Frontsängerin. Gitarrist Willi DĂĽck leistet dieses Mal seinen Teil im Background, weiĂź aber in den passenden Momenten nach vorne zu treten, sei es mit der Gitarre oder mit ergänzendem Gesang. Teile des Albums sind im heimischen Wohnzimmer aufgenommen worden, was wie Kitsch wirkt, aber eine ganz emotionale Bindung besitzt.