Leoniden sind in den letzten zwei Jahren mächtig rumgekommen. Spielten vor Maximo Park, Adam Angst und ließen so einige Festivalbesucher und -veranstalter nicht schlecht staunen. Doch noch gelten Leoniden quasi als Newcomer. Zur neuen EP Two Peacce Signs (VÖ: 08.04.2016) traf ich mich online mit den Jungs und hakte mal nach. Wer sind die Typen aus Hamburg eigentlich und was machen Leoniden für Musik?
“Wir sind Leoniden, heißen Djamin, Jakob, Felix, JP und Lennart, kommen aus dem Norden und machen Indie-Punk, nennen es aber auch manchmal Agro-Pop, Disco-Punk oder R&B.”

Two Piece Signs EP
Als Leoniden bezeichnet man den im November meist auftauchenden Sternschnuppenstrom. Wo liegt die Verbindung zwischen eurem Namen und eurer Musik?
“Leoniden klingt gut und Sternschnuppen sind ein schönes Bild, oder? Allerdings ist das Wort nicht so geläufig wie zum Beispiel Asteroiden, weshalb es beim ersten Hören wesentlich schwieriger zu orten ist. So wurden wir auch schon für eine Elektro-, oder sogar Post-Hardcore-Band gehalten. Dass wir wegen unseres Namens nicht sofort den Indie-Stempel aufgedrückt bekommen, ist sehr hilfreich für den Zugang zu unserer Musik. Wir pflegen Klischees, Rhythmus, Punk, Chaos und Pop.”
Wollt ihr euch überhaupt selber einordnen? Wie würdet ihr euren Stil beschreiben?
“Wir wollen Musik schreiben und spielen, die verspielt aber zugänglich ist, die überrascht und zum ehrlichen Tanzen einlädt. Und zwar: Nicht „Tanzen, als würde dich keiner sehen“, sondern „Alle können sehen, dass du scheiße tanzt, na und?“. Wir wollen Gezappel, wir wollen Energie. Wir wollen, dass ein Live-Konzert wieder vergänglich – aber auch deshalb um so intensiver ist. Mit Kanten und mit Einmaligkeit.”
Hört man sich durch ihre beiden bisherigen Werke Invert India (2014) und Two Peace Signs (2016) spürt man diese Energie deutlich – auch auf Platte. Stilles Wasser neigt gerne zum Sprudeln, wenn du so Discopunksachen wie das Vorabvideo zu 1990 aufdrehst. Ein Liveerlebnis gibt jedoch nochmal einen ganz anderen intensiveren Eindruck. Leoniden mixen querbeet. Verspielte Melodien aus Pop, Indie und Punk und wie sie selbst sagen aus R&B. Haben Leoniden musikalische Einflüsse, auch textliche? Woher kommen die Ideen für neue Songs?
“Der erste Teil der Frage ist in jedem Fall unverneinbar. Na klar haben wir Einflüsse. So entsteht Musik ja meistens. Allerdings haben wir bei uns nie nach „dem kleinsten gemeinsamen“ Nenner gesucht, wie einer Band, auf die wir uns „einigen“ können. Und wir hören alle sehr viel und sehr unterschiedliche Musik. Der Input von Außen hat uns aber trotzdem zu Perfektionisten gemacht. Deshalb braucht es bei uns Zeit und manchmal viele Versuche und Versionen. Jeder von uns kämpft bei jedem Song und Detail darum, dass wir für uns selbst diese eine Band werden, auf die wir uns am Ende dann doch einigen. Das ist mehr der Weg als das Ziel und harte Arbeit.”
Sagen wir der Weg wird zielorientiert verfolgt. Dennoch bleibt die Frage nach der ersten langen Platte nicht aus. Nachdem 2014 Leonidens erste EP Invert India veröffentlicht wurde, folgt nun der zweite Streich mit Two Peace Signs. Ebenfalls eine EP. Kam auch der Gedanke ein ganzes Album zu machen?

Foto: Robin Hinsch
“Ja, na klar. Das ist auch fast fertig. Allerdings gibt es neben unserer Geduld auch einfach den Drang, Lieder herauszubringen, damit sie gehört und live mit uns gefeiert werden können. Und das musste eben jetzt sofort sein.”
Wovon handeln die Songs eigentlich? Welche Message steckt hinter den Tracks? Habt ihr besondere Bedürfnisse irgendwas auszudrücken, euch musikalisch, textlich wovon zu befreien, ein Statement zu bringen?
“Es gibt auf jeden Fall Elemente, die häufiger auftauchen. Allerdings weniger lyrisch, sondern eher im Gesamten: Loslassen, Aufbrechen, Auspowern, Ablenken. Trance und Spaß. Wie eine gute Techno-Party oder Sport machen. Vielleicht ein bisschen deeper.
Sicher hat Jakob, unser Sänger, auch die eine oder andere Lebensweisheit in den Texten versteckt, aber wir verstehen uns nicht als große Lyriker. Was übrig bleibt ist simpel: Du bewegst dich, wir bewegen uns, und am Morgen danach haben alle das Gefühl, es hat sich gelohnt.”
Der Song Storm ist ja schon auf Invert india vertreten. Warum habt ihr ihn überarbeitet und nochmal rausgebracht?
“Storm ist für uns einfach ein guter Song. Er ist jetzt etwas langsamer, melancholischer und allgemein etwas pathetischer. Das tut der EP und uns gut. Zudem wäre es schade, wenn er einfach so auf der alten CD verpuffen würde.”
Two Peace Signs wirkt ein wenig runder, cleaner und poppiger als der Erstling. Ideal an Storm natürlich zu vergleichen, dass sich in dieser Richtung schon jetzt bei Leoniden was getan hat und die Hamburger sich Gedanken über die Details machen. Der erst für einen Kinderchor gehaltene einsetzende Background/Refrain Unterstützung ist ein weiteres Beispiel.
“Der Chor besteht übrigens aus unseren besten Freundinnen, die gehören quasi mit zur Gang. Wir sind in Wahrheit vielmehr als fünf…”
Die Leoniden Gang wirkt auf jeden Fall eindeutig griffiger und präsenter. Wie kam es zu der Entwicklung? Oder war es ein schlicht normaler Vorgang im Dasein der Band?
“Es war ein schlicht normaler Vorgang im Dasein der Band! Wir haben nicht geplant, dass alles griffiger werden soll, als auf der alten EP. Außerdem haben auch Lieder von Invert India ihre großen poppigen Momente, auch wenn sie vielleicht noch etwas schneller an einem vorbeiziehen. Wir hatten aber auch keine Lust, auffällige Musik zu machen, indem wir anstrengend oder offensichtlich kompliziert sind. Die Lieder sind ziemlich ausgefeilt und ich denke, dass darin diese Griffigkeit steckt, die du meinst.”
Schon in der jungen Bandgeschichte musste zwischen erster und zweiter EP umstrukturiert werden. Bis letztes Jahr waren Leoniden bei Delikatess Tonträger, einem überall beliebten Label (Findus, Frau Potz, Herrenmagazin). Letztes Jahr haben dann Fred, Lüam, Lisa und Kathrin aufgehört. Wie habt ihr die Nachricht aufgenommen und in wie weit hat das euren Weg beeinflusst? Wo seid ihr jetzt gelandet?
“Das war schon traurig. Wir kannten das Label von Anfang an und sind gut mit denen befreundet. Das war ein großes Kapitel, was auf einmal zu Ende war – genauso kommt es ja jetzt mit Findus. Auf der anderen Seite hatten die gute Gründe. Das Musikbusiness ist einfach scheiße. Wir haben jetzt unser eigenes Label (Two Piece
Signs Records) gegründet – genauso haben Delikatess und Findus ja auch angefangen. Entweder muss man sich an irgendwelche dummen Regeln halten oder man macht es selbst.”

Foto: Robin Hinsch
Den besagten Liveeindruck der Band holte ich mir beim letztjährigen Orange Blossom Special Festival ab. Die Bühne wurde abgerissen, nicht wörtlich, aber immerhin fast. Nach 35 Minuten circa waren nicht nur die Zuschauer fix und fertig, sondern auch die Band. Hat sich die energische und wilde, und damit meine ich natürlich gute Bühnenshow einfach so im Laufe der Zeit entwickelt? Kam das zur Sprache, dass man quasi sich selber fragte: Wie präsentieren wir uns live?
“Das ist einfach irgendwann passiert, hat sich gut angefühlt und wird deshalb zugelassen. Extase ist etwas Gutes, vor allem wenn es um Musik geht. Und Bühnen sind doch auch genau dafür da, oder?”
Am Freitag erscheint nun endlich Two Piece Signs und am Montag geht es mit drei Konzerten wieder auf die Bühne. Wie weit könnt ihr in die Zukunft schauen?
“Wenn unsere EP gut ankommt, die Leute Bock auf uns haben, dann soll das Album kommen. Und Konzerte? Ja, gerne und möglichst viele. Das hängt auch davon ab, ob die Leute Lust auf unsere Konzerte haben, ob wir gebucht werden und so. Es hängt aber ehrlich gesagt auch von den Gagen ab. Wir lieben es zu spielen, aber wir wollen wenigstens unsere Unkosten decken können. Das heißt, einen vernünftigen Van mieten und unsere Mischer bezahlen zu können. Das kann manchmal ganz schön schwierig sein, aber es schockt einfach nicht, draufzuzahlen. Wie gesagt, dass Musikbusiness ist beschissen.”
Beweisen wir Leoniden, dass wir als Zuhörer und Zappler auf ihren Konzerten nicht beschissen sind und machen wir die Hütten in Köln, Berlin und Hamburg voll. Denn das sind die nächsten Termine – und dieses Liveerlebnis darf man wirklich nicht verpassen. Two Piece Signs ist mit seinen 4 Songs das kleine Sprungbrett in Richtung Longplayer und wirkt wie eine richtig schmucke Produktion, mit Pepp, Energie und viel Hingabe zum Indiepop und -punk.
On tour:
- 11.04. Köln, Zum Scheuen Reh (Eintritt frei)
- 12.04. Berlin, Musik & Frieden
- 13.04. Hamburg, Molotow Skybar