Kettcar
…Und Das Geht So
Grand Hotel van Cleef
VÖ: 29.11.2019
Kettcar machen Pause. Ob das Indie-Aushängeschild aus Hamburg noch einmal wieder kommt? Wer weiß das schon. Ich hatte die Band vor Jahren eh schon abgeschrieben. Dass sie überhaupt noch einmal zurückkommt, kam 2017 nicht nur für mich überraschend. Dass sie mich mit ihrem damals erschienenen Album „Ich vs. Wir“ darüber hinaus auch noch begeistern konnten, kam sogar recht unerwartet. Nun also Pause. Aber Kettcar wären nicht Kettcar, wenn sie uns nicht noch ein schönes Abschiedsgeschenk machen würden. “… Und Das Geht So” ist ein perfektes Livealbum, dass alte und neue Fans gleichermaßen glücklich macht.
Apropos glücklich machen. Mich haben Kettcar nicht immer glücklich gemacht. Viel zu häufig schimmerte da eine Enttäuschung mit. Das erste Mal “Balu” und Marcus Wiebusch schüttelt mit dem Kopf alle brennenden Feuerzeuge weg, nur um einige Monate später das Publikum genau dazu aufzufordern. Fand ich schwierig damals. Genau so schwierig: “Sylt“. Hab ich bis heute nicht in Gänze verstanden, auch wenn es mit den Jahren auch einige starke Momente entwickelte. “Zwischen den Runden” (2012) hab ich dann tatsächlich kaum mehr wahr genommen.
Was mich an Kettcar – vor allem zu Beginn ihrer Karriere – so begeistert hat, war die textliche Tiefe. Ich werde nie vergessen, wie man mir “Garp und wie er die Welt sah” von John Irving zum Geburtstag schenkte und dazu noch “Du und wieviel von Deinen Freunden” (2002) das grandiose Debütalbum von Kettcar schenkte. Schließlich bräuchte man nach “Garp” etwas, dass einen wieder hochzieht. Hochgezogen hat mich das Album dann nicht. Denn zu deprimierend fand ich es in seiner Gesamtheit. Aber ganz ehrlich, die Hand in schwierigen Zeiten reichen, dass können Songs wie “Money Left To Burn”, “Im Taxi weinen” oder “Balkon gegenüber” auf jeden Fall. Mir hat das Album ein ums andere Mal den Arsch gerettet.
Auf “… Und Das Geht So” spielen Kettcar ein Greatest Hits-Set mit alten und neuen Hits. Sound gut, Spielfreude vorhanden und das Publikum angemessen euphorisch. Die Band startet mit “Rettung”, was ich nicht zwingend als perfekten Start bezeichnen würde, aber eigentlich auch keine Rolle spielt, da danach ja erst einmal große Hits folgen. Besagtes “Money Left To Burn” ist einfach ein super Song, auch wenn mir die Bläser etwas zu präsent sind. “Sommer 89”, der große Comeback-Hit folgt und macht noch einmal klar, dass “Humanismus nicht verhandelbar ist”. Toller Song. Mit “48 Stunden” und “Balu” folgt dann zeitnah ein ruhiger Abschnitt, der von “Balkon gegenüber” (mit der mittlerweile obligatorischen Zusatzstrophe) und dem Wiebusch Solo-Song “Der Tag wird kommen” abgelöst wird. Zeit auch mal an dieser Stelle kurz zu erwähnen, dass hier homophobe Arschgeigen unerwünscht sind.
Am Ende schaffen es Kettcar auf dem Höhepunkt ihrer Karriere eine Pause einzulegen. Das schaffen bei weitem nicht alle Künstler. Ich empfehle diesbezüglich das Buch “In The Shadow Of My Former Self” von Jim Bob (Carter USM), der dort ziemlich eindringlich beschreibt, wie ätzend es ist, wenn man eine Pause oder Auflösung zu lange herauszögert. Chapeau Kettcar. Macht es gut. Ich hoffe wir sehen uns ganz bald wieder.
Vinyl-Info: “… Und Das Geht So” erscheint auf dreifach Vinyl im wundervoll bebilderten Gatefold. Das Vinyl klingt schön warm, ohne Störgeräusche. Leider gibt es dazu keine Liner-Notes oder sonstige Extras. Aber hey, das wäre dann aber auch perfekt gewesen.