Ich habe ganz vergessen, wie groß das Stahlwerk in Düsseldorf ist. Ehrlich gesagt, bin ich kurzfristig etwas irritiert. Das hatte ich so wirklich nicht mehr in Erinnerung. Ich vergesse aber auch immer wieder, wie groß Kettcar mittlerweile sind. Seit ihrem Comeback-Album “Ich vs. Wir” (2017) sind die Hallen nämlich immer größer geworden. So groß, dass sie in Köln sogar das Palladium ausverkaufen konnten. Es sei ihnen von Herzen gegönnt. Genauso, wie die Pause, die die Hamburger Indie-Institution nach der aktuellen Tour wieder einlegen möchte. Aber so weit ist es noch nicht. Und ein letztes Mal möchte ich die Band doch auch noch einmal erleben.

Den Beginn machen aber Schrottgrenze, die bereits um 20 Uhr auf die Bühne müssen. Ich persönlich habe mich sehr auf die Band um Sängerin Saskia Lavaux gefreut, bin aber etwas genervt, weil es früh sehr voll im Stahlwerk ist. Bereits kurz vor Beginn des Konzerts gibt es eigentlich kein Durchkommen in den vorderen Teil der Halle mehr. Für mich doof, für die Band natürlich super. Schrottgrenze selbst sind unglaublich gut eingespielt und haben einen guten Sound, der die Songs wesentlich druckvoller als auf Platte erscheinen lässt. Vor allem die Stimme von Saskia kommt ganz hervorragend zur Geltung. Neben wenigen älteren Songs spielen Schrottgrenze hauptsächlich Songs ihrer beiden letzten Alben mit einem ganz wundervollen “Sterne” am Ende. Das Publikum dankt es mit etwas mehr als Höflichkeitsapplaus. Schön auch zu sehen, wie vereinzelte Fans sich mit mir und der Band freuen. Ich finde es nämlich richtig gut, was Schrottgrenze da machen. Außerdem muss ich Timo (Gitarrist Schrottgrenze; Anm. d. Autors) mal fragen, wo er seine unfassbar glitzernde Jacke her hat. Das sah schon sehr geil aus.

Aber genug zu Schrottgrenze, kommen wir zu Kettcar. Ich war immer schon ein Fan der Band, auch wenn ich die beiden Alben “Sylt” (2008) und “Zwischen Den Runden” (2012) eigentlich gar nicht so gerne mochte. Das Debütalbum “Du Und Wieviel Von Deinen Freunden” (2002) ist für mich persönlich aber eins der wichtigsten deutschsprachigen Alben überhaupt und hat mir durch mehr als eine dunkle Zeit in meinem Leben geholfen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass das oben genannte Comeback-Album wieder richtig gut und eine kleine Rückbesinnung auf ältere Tage ist.

Im Stahlwerk ist die Stimmung mittlerweile sehr ausgelassen, aber schon auch mehr als kuschelig, so dass ich mich in den hinteren Teil der Halle verdrücke. Dort wiederum ist es saukalt, da die Türen zum Raucherbereich auf bleiben. Optimierungsbedürftig. Die Band beginnt mit “Volle Distanz” und “Money Left To Burn”, was eigentlich total gut wäre, wenn nicht die drei Bläser, die mit auf Tour sind und Kettcar immer wieder während des Sets unterstützen, viel zu laut wären. Von null auf genervt in 25 Sekunden. Aber gut, mit der Zeit wird das Problem offensichtlich erkannt und behoben. Wieviele Hits Kettcar mittlerweile haben, zeigt der weitere Verlauf der Setlist. Im Anschluss werden die beiden Singles “Benzin Und Kartoffelchips” und “Sommer ’89” gespielt. Hit auf Hit sozusagen. Die erste kleine Delle dann nach einer halben Stunde. “Palo Alto” und der Wiebusch Song “Nur einmal rächen” sind eher schwache Songs in einem starken Set. Die darauffolgende Diskussion über die zweite Strophe vom “Balkon gegenüber” ist dann ein bisschen überflüssig. Auch wenn Marcus Wiebusch am Ende des Tages machen kann, was er will und es auch künstlerisch völlig vertretbar ist, diesem Song eine zweite Perspektive zu verpassen. Der Song ist in seiner Originalversion samt Steigerung und abruptem Ende so perfekt, dass ich jedes Mal die Krise bekomme, wenn die zweite Strophe mitgespielt wird. Aber was soll ich auch sagen, bei einem nahezu perfekten Konzert muss man ja auch mal auf hohem Niveau motzen dürfen. “Der Tag Wird Kommen”, wie immer wichtig und gut, “Im Taxi Weinen” gewohnt wundervoll und “Landungsbrücken Raus” der perfekte letzte Song für das reguläre Set.

Kettcar haben eine echte Relevanz im deutschen Pop-Zirkus. Und dort sind sie mit Blick ins Publikum auch angekommen. Dass nicht jeder im Publikum wirklich auf die Texte achtet, merkt man manchmal, wenn das freudige in die Hände klatschen mal so gar nicht zur Tiefgründigkeit des gerade dargebotenen Songs passen mag. Aber ich freue mich über jeden, der durch die Songs von Kettcar einen anderen Blick auf die Gesellschaft erhält. Deshalb finde ich es auch schade, dass die Band wieder eine längere Pause macht. Aber ich kann es verstehen. Lieber Pause, als belanglos werden. Ich wünsche den Musikern eine gute Zeit und ich hab ja immer noch die Songs, die mir in dunklen Zeit die Hand reichen können. Bis bald!

Foto: Andreas Hornoff

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