Dass es Montag und ziemlich kalt war, merkte man anhand der doch nur wenigen Zuschauer, die sich an diesem Novemberabend im Kölner Blue Shell einfanden. Jedenfalls war es so kalt, dass Mütze und Handschuhe auf dem Weg mit dem Fahrrad von Ehrenfeld in die Südstadt notwendig waren. Klar, war ja auch November. Alles andere ist ja eher unnormal. Tja, und eben Montag – nach einem durchgemachten Wochenende und einem müden ersten Wochenarbeitstag wahrlich nicht die optimalsten Voraussetzungen zum Weggehen. Der Grund, dies dann aber doch zu tun und diese kleine Reise über alle roten Ampeln und schlechten Fahrradwege in Köln auf sich zu nehmen: die Breisgau-Berliner Kala Brisella. Mit dem Support durch die aus Köln kommenden Illegale Farben, erhoffte ich mir einen entsprechenden Noise- und Punkpegel, um die müden Knochen wieder aufzuwecken.
Mit ihren zwei Alben, dem 2017er “Endlich Krank” (Späti Palace) und dem jüngst bei Tapete Records veröffentlichtem Album “Ghost”, sind Kala Brisella in meinen Augen und Ohren mit das Spannendste im hiesigen Post-Punk und Noise-Pop. Live verpasste ich das Trio bisher. Nun sollte es also dieser Montag sein. Support stellten die Kölner Illegale Farben die letztes Jahr ihr zweites Album mit dem Titel “Grau” auf Rookie Records veröffentlichten. Das wirklich nur eine handvoll Zuschauer den Weg ins Blue Shell gefunden hat, war echt schade. Beide Bands scherten sich aber nicht groß darum und lieferten einfach ab. Während Illegale Farben punkig tanzend ihr Set spielten, war es unter anderem Kala Brisella Schlagzeugerin Anja Müller, die den hochfrequentierten Bewegungsdrang von Sänger Thomas Kempkes nachahmte. Vielleicht hatte es ja auch seinen Vorteil, dass man sich gemütlich ein Bier holen konnte und der Musik, ohne angerempelt zu werden, zuhören konnte. Wenn da halt nicht Kempkes gewesen wäre, der sich die wenigen Zuschauer quasi schnappte und mit in die Show eingebunden hat, sich mit Mikrofon und Gitarre bis zur Bar aufmachte und die Bühne so aufs ganze Blue Shell erweiterte. Ich glaube zum fünften Mal habe ich Illegale Farben gesehen. Grade die neueren Tracks wie die Single “Die Angst Ist Die Mutter Der Schlechtesten Idee” oder “Frequenz” sind starke Punkrocknummern mit süßer Popattitüde. Auch Songs wie “Schwarz” oder “Die Straßen Sind Wach” begeistern nach wie vor. Illegale Farben klingen voll, dynamisch und eingängig. Und besitzen irgendwie immer was Nostalgisches, was mich auch an die 80er und die Neue-Deutsche-Welle erinnert.
Kala Brisella stehen 15 Minuten später bereit. Die Bühne wurde mit Eis am Stil und Eis im Hörnchen geschmückt. Drei verschiedene, aufblasbare Eissorten gab es. Sinn? Wahrscheinlich irgendwas mit Kunst im Kala Brisella-Universum. Verhalten, introvertiert, ja fast ein wenig schüchtern wirkten die ersten Sekunden von Sänger und Gitarrist Jochen Haker auf der Bühne. Nach den ersten Tönen und spätestens nach dem fulminanten “Im Quartier” löst sich die Anspannung auf allen Seiten. Ich lass mich fallen im noisgetränkten Gitarrensound. Schmunzel und lache fast im poppigen “King Of The Moon”, mit den teilweise humoristisch wirkenden Lyrics, und bin angetan angesichts der positiv verrückten und theatralischen Spielweise von Schlagzeugerin Anja Müller. Haker machte die Augen groß, lebte seine Lyrics. Bassist Dennis Deter vertiefte sich weiter und weiter in die eigene Musik. Obwohl grob dem Post-Punk zugeschnitten, bedienten Kala Brisella große Popmomente und melodiösen Indie. Drifteten in Songs wie “Dein Du” oder “Der Schlaf Auf Meinen Augen” in eine schöne noisige Dynamik ab. Der positive Eindruck des “Ghost”-Albums übertrug sich auch live. Das war mehr als Punk, das hatte Format und wirkte kunstvoll. “I’m Sorry” habe ich als größte Resonanz im Kopf und das anschließende Gespräch mit Sänger Jochen Haker, der dankbar wirkte, voller Liebe für seine Band und Lust auf noch ganz viel Musik vermittelte.
Es hatte sich gelohnt, die müden Knochen zu bewegen und es war ein kleiner schmucker Abend.