Was für ein schöner Abend. Die Kölner Indiepunkformation Illegale Farben lud zur multimedialen Vernissage ihres Konzeptalbums “unbedeutend ungenau” ein. Das zwei Jahre alte Werk feierte mit Verzögerung endlich seine Livepremiere – Musik und Film. Denn das Album erhielt eine Komplettvisualisierung. Das Blue Shell in der Kölner Südstadt war zurecht ausverkauft. Zwischen Wiedersehen, vielen Lachern, Umarmungen und einigen Flaschen Bier, entpuppte sich der Abend mit Programm im blauen Dunst der sympathischen Eckkneipe zu einer sehr charmanten Sache.

Das Blue Shell wurde im vorderen Raum mit kleinen Röhrenfernsehern ausgestattet. Darauf flackerten Bilder und Animationen von variierenden Illustrationen, die der Thematik des Cover-Artworks des aktuellen Illegale Farben Albums äußerst nah kamen und hier und da im gestaltierischen Booklet zu “unbedeutend ungenau” wiederzufinden sind. Von Bühne bis DJ Pult waren Stuhlreihen aufgestellt, welche schon früh am Abend von den Besuchern belegt wurden. Im hinteren Bereich gab es die analogen Versionen der Bilder aus dem Booklet zu bewundern. Musikalisch eingeläutet wurde der Abend von PICARD3000. Einem Ambient-Electro-Jazz Projekt von Illegale Farben Bassist Chris Mock. Zusammen mit Simon Doetsch wurden Sounds & Flächen erschaffen, die einen ernsten und kunstvollen Mix aus Konstruktivem und Destruktivem fabrizierten. Piano- und Trompetenklänge umschlungen von durch Effektgeräte verzerrte und konstruierte Soundexperimente. Das Publikum lauschte aufmerksam. PICARD3000 verliehen dem Einstieg des Abends etwas sehr Stilvolles und Angenehmes. Die Klänge des Duos wurden zum ersten Mal überhaupt live präsentiert.

Mit der Band TULIPS folgte ein feiner Post-Punk, der in die Fußstapfen früher The Cure tritt und der mich an die in den 2000ern aktiven The Organ oder an die in den 2010ern aufkommende Band Brandenburg erinnerte. Neben stoisch monotonen Beats, entzückten die gut platzierten Melodien und der immer wieder asynchrone, teils ausbrechende Gesang. TULIPS präsentierten bis auf einen Song nur neue Songs, die zusammen mit den Illegale Farben Musikern Chris Mock (b) und Thilo Schenk (g) im Illegale Farben-Studio entstanden und aufgenommen worden sind. Das Kölner Quartett hielt sich an das Konzept des bestuhlten Events und spielte konsequent im Sitzen. Das minderte die dargebotene Musik in keiner Weise. Auf den kommenden TULIPS-Release darf man gespannt sein. Ich denke, dass an diesem Abend einige neue Hörer rekrutiert werden konnten.

Nach einer Umbaupause kamen dann Illegale Farben zu ihrem Set. Die Band platzierte sich mit all ihren Instrumenten und der dazugehörigen Technik rechts und links an die Seitenbereiche der Bühne und überließ die Mitte einer großen Leinwand. Der von Ines Rehberger realisierte Film startete und die Band begann die Bilder live zu begleiten. Leider fehlte Rehberger krankheitsbedingt. Von Beginn an wirkte das Zusammenspiel äußerst intensiv. Nach dem Titeltrack “Unbedeutend Ungenau” war es komplett still. Das Rauschen der ersten Zwischensequenz flackerte durch die Ohren. Sonst war nichts zu vernehmen. Hier und da zuckten vielleicht die Hände einiger Besucher. Nach “Alles Explodiert” konnte ich aber nicht mehr und applaudierte einfach laut heraus. Das Paket auf der Bühne hatte mich einfach umgehauen. Hinterher wurde noch diskutiert, weil andere Anwesende eher hinten raus applaudiert hätten, als in den Zwischensequenzen. Nichtsdestotrotz waren alle mehr als zufrieden und begeistert, um das vorwegzunehmen. “Standpunkt Der Verlierer” kann unter normalen Konzertumständen sicherlich so einiges einreißen – hier mussten sich alle etwas zusammennehmen und so rockte jeder*r für sich. Mein Favorit des Albums, “Hundertausend”, erzeugte Gänsehaut und mein neuer Favorit “Unter Deiner Haut” erzeugte offene Münder. Druckvoll und mit einer wahrscheinlich in jedem Bauch gefühlten Intensität schaukelte sich die Band zu einem starkem Höhepunkt hoch – der auf der einen Seite als Abschluss perfekt war, zum anderen für den Moment noch so viel Lust auf so viel mehr machte. Nach 31 Minuten, 6 Songs, 5 Zwischensequenzen und einem Ausklang war Schluss. Das hat mich bis jetzt beeindruckt. Ob es an der Zusammensetzung von Livemusik und Visualisierung lag oder aber an was anderem. Das kann ich gar nicht sagen. Bilder zur Musik bewirken immer etwas. Funktioniert die Umsetzung, sprudeln die Interpretationen und der Tiefgang in dir. Die Aufnahme der Kunst wurde irgendwie automatisiert und alle Beteiligten entfachten bei mir ein Gefühl für eine halbe Stunde mal nicht auf dieser Welt zu sein. Das ist einfach unfassbar wertvoll. Dieser Abend war wie angekündigt einzigartig.

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PICARD3000