Mittlerweile gelangt diese Phase gefühlt so langsam an ihre Grenzen. Gestreamte Konzerte aus Probekellern, Wohnzimmern und leeren Kneipen, reihenweise Musik-, Film- und Serienlisten, dazu der wichtige Aufruf nach Spenden für Vereine, Clubs, Bands und Bars. Was zu Beginn alles noch Spaß gemacht hat, kann ich heute nur noch dosiert zu mir nehmen. In der lokalen Szene habe ich mir Projekte herausgesucht, die ich unterstütze und bei der Musik versuche ich nach wie vor Platten und Merchartikel online zu kaufen. Der alltägliche Spaziergang, bevorzugt im zum Glück nicht überfüllten Wald, angrenzend an dem Büro meines regulären Jobs, gibt mir immer eine wohltuende Verschnaufpause vom ganzen Onlinezirkus. Bei der digitalen Flut an Supportmöglichkeiten ist und wird es immer schwieriger auf Projekte aufmerksam zu machen, die mir am Herzen liegen. Vornehmlich über die Band Clickclickdecker und ihrem Sänger Kevin Hamann habe ich vor drei Wochen die Menschen des I Love Rock & Roll Projekts wahrgenommen. Der dosierte und empathische Output hat mir dabei besonders gefallen. Das Kollektiv aus den unterschiedlichsten Personen hat in den letzten 3 bis 4 Wochen einige Lieder neu interpretiert und als Videos ins Netz gestellt. Darunter gibt es z.B. die “Kaputthaubirne”, eine Coverversion von Miley Cyrus’ Song “Wrecking Ball”, oder eine Neuinterpretation des Liedes “Die Finsternis” vom österreichischen Liedermacher Wolfgang Ambros. Eine Auswahl die gegensätzlicher nicht sein könnte, die aber im Stil der I Love Rock & Roll Menschen gelungen verbindet. So habe ich Kevin einfach mal angeschrieben und gefragt, ob die Menschen von I Love Rock N’ Roll ein paar Fragen beantworten möchten. Netterweise haben sich Tobert (unter anderem bei Turbostaat), Lise und Doro sowie Kevin selbst bereit erklärt mir zurückzuschreiben.

Simon, I CAN GUARANTEE: Hallo liebe I Love Rock & Roll Menschen. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt und mir ein paar Antworten gebt. Wer seid ihr eigentlich alle so? Und wo habt ihr euch kennengelernt bzw. wie seid ihr alle zusammen gekommen?

Kevin, I Love Rock & Roll: Angefangen hatte das ganze mit einem “Was Wir Lieben” Tagesspruch-Kalender, auf dem vor ein paar Wochen eben stand “Gründe eine Band”. Da haben wir angefangen uns über Social Media nicht nur Grüße und “bleibgesund#”, sondern auch Skizzen hin und herzuschicken. Angefangen zu texten, schnell ein Lied gebastelt, dann ein Video und das online gestellt. Das haben andere mitbekommen und gemeint, sie würden gerne mitmachen. Irgendwie sind wir alle kreativ und dümpeln so vor uns allein hin oder sind in festen Konstrukten verankert. Da ist es doch schön mit alten und neuen Freunden etwas zu erschaffen, besonders weil man das nicht lange planen musste oder sich ausdachte. Es war einfach da und hat begonnen. Wir konnten nur passiv darauf reagieren. Manch einer hat durch die neue Situation einen Schub an Kreativität, manch einer freut sich über eine Aufgabe die Ablenkung schafft und andere wollten schon immer mal in einer Band spielen, ging aber nicht, weil wir in verschiedenen Städten leben oder verschiedene Zubettgeh-Zeiten haben. Unser Schlagzeuger ist erst sieben Jahre alt. Da liegt der Fokus im Alltag normalerweise auf anderen Dinge als bei mir mit 40. Aber der Wunsch etwas gemeinsam zu erschaffen ist der gleiche.

Simon, ICG: Was war der Antrieb dieses Projekt zu starten? Wer hatte die Idee?

Tobert, I Love Rock & Roll: Ich glaube, dass das Kevins Idee war? Wir wollten eigentlich mit dem Hund raus, zusammen. Wir hatten viel zu erzählen, nach vielen Jahren, ich hab mich so gefreut – und dann war die Welt auf einmal anders und wir drinnen. Wir haben uns dann Musikskizzen geschickt. Mir gefiel das erste Lied so gut, da wurde ich prompt eingeladen mitzumachen und eben in die Gruppe gesteckt. Da waren dann bekannte und neue tolle Leute und Sachen wurden gemacht, Ideen und Bildchen verschickt und es war plötzlich gar nicht mehr so einsam im Kopf – das tut grade gut und es ist prima, zusammen nach Draußen zu winken.

Simon, ICG: Wie kommt ihr auf die Songs? Die bisherigen drei Originale unterscheiden sich ja doch sehr, vom Genre oder von der Zeit her.

Tobert, I Love Rock & Roll: Wir schicken und schreiben so hin und her. Jemand hat einen Film gesehen oder einfach einen Impuls. Kevin kann das gut, der kommt dann meist mit einer Skizze, dann singt jemand ins Telefon oder schreibt einen Text. Kinder müssen essen, trinken müssen alle, Filmchen werden geklebt und am Ende ist da eben ein Lied – ich glaube, die Grenze ist nur der Kopf.

Simon, ICG: Wie nehmt ihr in der Zeit des Social Distancing die Lieder auf? Also Audio, als auch Video.

Lise und Doro, I Love Rock & Roll: Wir kriegen eine grobe Skizze vom Song und jeder nimmt dann bei sich zuhause auf, meist mit dem Handy. Kevin sammelt alles, das stell ich mir cool vor. Er weiß ja gar nicht, was wir schicken. Wie so eine Wundertüte. Und er baut es dann zusammen. Dann wird weiter herumgeschickt, hinzugefügt und rumprobiert, bis alle Beteiligten glücklich und zufrieden sind.

Lise, I Love Rock & Roll: Ich setz die Kopfhörer auf und hör den Song. Dann sing ich in das Handy rein, das hört nur meine stimme dann. Manchmal rufe ich auch was. Und jetzt will ich baden.

Doro, I Love Rock & Roll: Mit den Videos läuft es genau so. Aufgenommen wird mit dem Handy und dem, was wir zuhause haben oder was auch mit Social Distancing gut erreichbar ist. Einer stellt ne Idee in den Raum und dann wird es gemacht. Drinnen oder draußen, einfach los. Online sammeln und schneiden, das klappt ziemlich prima.

Simon, ICG: Euren bisher zu hörenden Lieder finde ich äußerst gelungen. Sie strahlen viel Mut, Gemeinschaft und Hingabe aus und wirken so wie eine virtuelle Umarmung. Ist da vielleicht noch mehr geplant? Habt ihr ein Ziel oder passiert das alles relativ spontan?

Lise und Doro, I Love Rock & Roll: Ich glaube, Sachen werden immer dann schön, wenn jeder das macht, was er machen kann und machen will und selbst auch schön findet. Und es passt/funktioniert vielleicht so gut, weil es gerade kein Ziel gibt und keinen Plan und nichts von außen Aufgezwungenes. Uns verbindet, dass wir alle Lust haben, etwas zu machen. Wer was beizutragen hat, packt sein Herz rein und trägt bei und wer nicht, der macht eben einen Moment Pause. Es ist gerade alles so offen und unabsehbar. Keiner weiß, was wird. Da kann, finde ich, sowieso niemand irgendetwas planen. Aber im Jetzt irgendwas zusammen MACHEN, auch von ganz verschiedenen Orten aus, das klappt. Lises Plan ist natürlich auf einem Konzert in ein Mikrofon zu singen und ein Rockstar zu sein wie Katy Perry.

Simon, ICG: Wie kann man euch unterstützen?

Kevin, I Love Rock & Roll: Ich glaube dass es uns allen recht gut geht, auch in dieser ungewissen Lage. Unterstützung brauchen auch jetzt wieder ganz viele andere Menschen überall auf der Welt. Dafür haben einige unsere Mitglieder Aktionen ins Leben gerufen z.B.: Corona Charity Shop oder Cut the Fence Shirts

Simon, ICG:Nochmals vielen Dank. Sowohl für die Antworten, als auch für die Musik.

Hum
Next Post