HEALTH
Vol. 4 :: Slaves Of Fear
Loma Vista Recordings
VÖ: 08.02.2019
HEALTH, diese sehr gute Band aus L.A., ist eigentlich unmöglich zu beschreiben und nach 4 LPs, 3 Remix-Alben und einem Videospiel Soundtrack weiterhin null auf irgendetwas festzunageln, sei es Noise, Dance, Metal, Industrial oder Pop.
Waren die ersten beiden Alben noch eher durch eruptive, dissonante Noisestücke mit irren Breaks und gefühlten zwölf Versatzstücken pro Song geprägt, begaben sich HEALTH mit Ihrem letzten Album “Death Magic” nach 6 Jahren Funkstille mit schwarz lackiertem SUV auf die Disco-Tod Fahrspur und hauten einen Koloss raus, der sagen wir mal, selbst Trent Reznor ein tropfendes Hörnchen beschert hätte (“Stonefist”, “New Coke”) und gleichzeitig Popsongs hervorbrachte, die Depeche Mode heute nicht mehr schreiben können (“Dark Enough”).
“Vol4 :: Slaves Of Fear” ist nun eine konsequente Fortsetzung dieses Weges. Nachdem Jupiter Keyes die Band 2018 verließ um seine Partnerin Alice Glass bei Ihrem Solo-Neustart zu unterstützen (HEALTH und Crystal Castles waren langjährige Weggefährten und kollaborierten oftmals before CC turned to shit ‘dank’ Ethan Cath) stellte sich mir persönlich die Frage, ob die Band auch nur noch zu dritt die gleiche Energie hervorbringen würde, welche sich aber nach dem ersten Durchgang von “Vol4 :: Slaves Of Fear” vollkommen erübrigt hat. HEALTH klingen nun noch weniger organisch, dafür aber dunkler, wuchtiger, gothiger, industral-iger und direkter als zuvor.
Death Disco trifft das Ganze in der Tat ziemlich genau. HEALTH schaffen es immer noch innerhalb von 2 Minuten einen ganzen Raum leer zu spielen oder einem die Gehörgänge zu zertrümmern, wenn sie möchten (das Wummern spürt man unter jedem Song wie eine stille Drohung), entscheiden sich aber manchmal dann doch einfach nur dafür loszusägen wie Nine Inch Nails zu “The Fragile”-Zeiten oder einen durchaus Dancefloor-kompatiblen Smasher rauszuhauen, wenn man grade den Kopf zur Vorsicht einziehen möchte. Gerade dieses latente Rauschen und die spürbare Dringlichkeit, die vor allem durch den fedrigen, androgynen Gesang von Jake Durstewitz aufgehoben wird, ist ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal von HEALTH.
Kleiner Tipp: einfach mal Nachts mit Kopfhörern durch die Hood laufen und die Platten durchshuffeln. Ich schwöre, man kommt paranoid wieder in die Haustür rein, aber in geil.
HEALTH erfinden sich oder das Rad nicht neu, aber wer Fan von wirklich guten Popsongs, extremen Krach, früheren Boredoms, Liars oder ja, sogar 2000’er Nine Inch Nails und Wave-Pop ist, und wer glaubt, dass das alles zusammengewürfelt einen Sinn ergibt, für den können HEALTH eine Offenbarung sein und es macht einfach wahnsinnigen Spaß der Band dabei zuzuhören, wie sie sich immer weiter verändert und ihre Senklote von Album zu Album neu auswerfen.
Needless to say: HEALTH sind außerdem eine brutal gute Liveband, deren Shows, sofern man nicht eh schon einen Hörschaden hat oder viel Wert auf gute Ohren im Rentanalter legt, eine absolute Bereicherung darstellen. Beim damaligen Konzert in der Panoramabar im Berliner Berghain habe ich vor lauter Freude und Begeisterung ob all des Lärms fast vor die Bühne gekotzt, so körperlich war das Ganze. Hingegen ein komplett anderes Bild als HEALTH für Interpol eröffneten: wo man sonst immer eingekeilt in der zweiten Reihe festgenagelt war, tat sich so viel Platz auf, dass man während der ganzen Support Show immer zur Bar und direkt wieder vor die Bühne latschen und sich an komplett entgeisterten Gesichtern ergötzen konnte.
Aktuell sind HEALTH noch mit The Neighbourhood und Yeek in Europa unterwegs und setzen die Tour danach solo fort. Catch them zwischen dem 24.Februar und 02.März in your deutsche Stadt of choice. DO IT!!!