Fat White Family
Serfs Up!

Domino Records
VÖ: 19.04.2019

In Klammern der beiliegenden Info des neuen Fat White Family Albums “Serfs Up!” steht “The Difficult 3rd Album”. So würde man den am kommenden Freitag erscheinenden Lonplayer der Südost-Londoner wohl ziemlich authentisch beschreiben. Wer eine Fortführung des verrückten und aufwirbelnden Sounds von “Champagne Holocaust” (2013) und “Songs For Our Mothers” (2016) erwartet, wird angesichts der lethargisch und langgezogenen Songs überrascht sein. Der anfängliche Post-Punk der Band gepaart mit Lo-Fi, Funk und Garage ist nur noch in der Grundstruktur erkennbar. Zu sehr überwältigt Pop-Art und Punk-Avantgarde. “Serfs Up!” gibt der fetten weißen Familie ein Zukunftsgesicht und dürfte künstlerisch das bisher beste Album der Engländer sein.

Das Album beseelt sich auf Feinheiten und Raffinessen gleichermaßen wie auf eine langatmige und penetrante Performance. Obwohl das Album mit zehn Songs und 45 Minuten eine typische Albumlänge aufweist, wirken tiefgreifende Songs wie “Feet”, “Kim’s Sunset” oder “When I Leave” wie stundenlange Hypnosesessions. Das katapultiert dich in eine psychedelische Natural Born Killers-Phase und lässt dich mit seiner teilweise agierenden Surf-Gitarre desorientiert auf dem Meer treiben. Fat White Family vernebeln ohne den Joint je angezündet zu haben. Die Band fabriziert einen Sound der im Falle von “Feet” einen 90er Leonard Cohen-Style hat oder wie in “Fridge Runner” einen 80er Mix aus Frankie Goes To Hollywood, The Human League und The Fall heraushören lässt. Im Song “Rock Flashes” geistert in meinem Kopf sogar die Kombination aus Blur-Attitüden, Dead Man’s Bones und Boney M Strukturen herum. Ich brauche etwas, um mich an den Sound von “Serfs Up!” zu gewöhnen, mich darauf einzulassen und letztendlich treiben zu lassen. Es gibt unzählige Instrumentierungen mit spannenden Interaktionen und Steigerungsformen. Mir fehlen im ersten Hören die explosiven Passagen, jedoch entdecke ich nach und nach die Feinheiten des Albums. Eingängigstes Beispiel ist der Track “Tastes Good With The Money”, welcher mit einer schon fast schunkelnden Refrainmelodie packt und provokant das Leben der Upper Class aufs Korn nimmt. Ebenso auffällig ist das psychedelische “When I Leave”, das Soft-Porno Gesäusel von “Vagina Dentata” oder der wundervolle Klassik-Skit “Oh Sebastian”. Das Album vertreibt nach und nach die vormals gemachten, impulsiven Erwartungen und überzeugt mit einem außergewöhnlichen Songwriting.

Fat White Family schaffen es irgendwie in ihre immer nah an der Improvisation klingenden Songs Struktur reinzubringen und das völlige Chaos abzuwenden. Ohne dieses Mal komplett auszubrechen. Der kunstvolle Aspekt steht gegenüber der aggressiven Anarchie vergangener Tage im Vordergrund. Definitiv kann “Serfs Up!” mehr, als der erste Eindruck hergibt.

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