Das Eurosonic Noorderslag Festival in Groningen, Niederlande ist für die meisten Konzertagenturen, Festivalmacher, Clubbesitzer, Labels und Booker und viele andere Musikfans ein fast schon traditioneller Startschuss in jedes neue Jahr. Aufgrund der immer noch anhaltenden Corona-Pandemie ist auch das Eurosonic betroffen und findet nicht wie gewöhnlich statt. Zwar wird es den ein oder anderen freuen nicht im nasskalten, wenn nicht gar winterlichen, Nordseewetter Groningens zwischen Vera, Huize Maas, Grand Theatre und Lola herumzutorkeln, das Gefühl zusammen Musik live zu erleben, das Entdecken, Kennenlernen und Kontakte knüpfen, Witze erzählen und letztendlich bei irgendwas Frittiertem aus der Wand hängen bleiben, vermissen jedoch alle. Saté-Kroket und Eierbal sind zudem beste Zwischenmahlzeiten, wenn man den lieben langen Tag (und Abend) mit unzähligen Kolleginnen und Kollegen anstoßen muss. Nun fand das Eurosonic Noorderslag, kurz nur ESNS, 2021 vom 13. bis 16. Januar eben nur online statt. Mit bis zu 15 Minuten kurzen Showcases von über 180 Künstlern. Ersetzen kann es wirkliche Liveerlebnis nicht. Reingeschaut haben wir trotzdem.

Völlig planlos habe ich mich nämlich spontan meinen Freunden vom Orange Blossom Special Festival angeschlossen und wir haben in einer gleichzeitig laufenden Videokonferenz an vier Tagen zahlreiche Neuentdeckungen auf der online Ausgabe des ESNS 2021 verfolgt. Vergleiche zu tatsächlich stattfindenden Liveshows brauche ich nicht zu ziehen. Jedoch kann man resümierend sagen, dass wir das Beste daraus gemacht haben. Über die einzelnen Darbietungen wurde fleißig diskutiert, geschmunzelt und in einzelnen Fällen wurden die Beiträge äußerst euphorisch aufgenommen. Den gereichten Getränken aus dem heimischen Kühlschrank geschuldet wurde sogar hin und wieder getanzt. Keine Schlange an den Toiletten und die Bemerkungen während eines Gigs wurden auch ohne Lautstärkeprobleme wahrgenommen.

Einige Künstler blieben nur aufgrund ihrer visuellen Strahlkraft hängen (M¥SS KETA oder Decolonize Your Mind Society), andere wegen nur allzu skurrilen und auch mir äußerst befremdlichen Darbietungen (Puuluup, Ivo Dimchev oder Ana Kravanja & Samo Kutin). Nur, was willst du machen, wenn zum Beispiel in der Beschreibung steht: Neo-zombie-post-folk from Estonia. Ich glaube da schaltet jeder mindestens einmal hin. Enttäuschungen (leider) gab es auch. Bei einem 15 Minuten online Showcase habe ich teilweise etwas mehr Ekstase oder Elan erwartet – ein zumindest auf die Zeit angemessenes Repertoire aufzustellen, dass die Band, den Künstler international passend vorstellt. So waren leider die Auftritte von Steiner & Madlaina, Holly Humberstone oder International Music recht langatmig und uninteressant.

Gepunktet haben dagegen viele mir unbekannte Künstler oder bisher nur am Rande wahrgenommen Bands, Musiker und Musikerinnen. Großer Konsens herrschte bei den aus Amsterdam kommenden Personal Trainer. Eine Rockformation mit ständig wechselndem Live-Line-up rund um den Singer-/Songwriter William Smit. Ein kunterbuntes Stelldichein der niederländischen Broken Social Scene, oder so ähnlich. Hier wurde aus der nur all zu kurzen Viertelstunde extrem viel rausgeholt. Die Band schaffte es einfach auch online eine gewisse Präsenz auszustrahlen und ihren musikalischen Sex-Appeal auch digital rüber zu bringen. Ähnlich erging es mir bei Chubby And The Gang. Einer aus London kommenden New Wave Hardcore Punk Kombo. Die Kellerperformance war auf den Punkt. Rotzig und ohne viel Tamtam. Die Belgier Slow Crush beeindruckten mit einer gehörigen Portion Sound und ließen zwischen Shoegaze, Noise und Post-Rock sehr viel Gefühl und gleichzeitig geballte Energie durchdringen. Da konnte man sich schon fallen lassen. Blodet aus Schweden performten irgendwo zwischen Laura Carbone und Emma Ruth Rundle und hinterließen ähnliche Spuren, wie zuvor Slow Crush. Weitere Highlights waren die isländische Indie-Lo-fi Band BSÍ, das französische Rockoutfit SLIFT, Shoegaze aus Spanien mit Uniforms oder der brachial wirkende Noise-Rock der aus Litauen kommenden Timid Kooky. Nicht zuletzt lieferten die gehypten Enola Gay (IE) mit ihrem Crossover-artigem Post-Punk ab. Dazu gesellten sich zudem Queen’s Pleasure (UK), JAVVA (PL), The Goa Express (UK) Junior A (LT) oder Newdad (IE). Folgend habe ich einige Sets meiner Highlights mal zusammengestellt. Auf der Seite des Eurosonic Noorderslag Festivals sind alle Auftritte auch nochmal im Re-Live anzugucken. Den Link findet ihr direkt hier drunter, wenn ihr auf den Button klickt.

➤ RE-LIVE: Eurosonic Noorderslag 2021