Eric’s Trip
Purple Blue / Forever Again
Sub Pop
VÖ: 15.06.2018
Simon, mein Chef und Herausgeber dieses wundervollen Musikmagazins sagt immer, ich soll nicht so viele Re-Issues besprechen. Schließlich sind wir ein aktuelles und hippes Magazin. Aber mal ganz ehrlich, ich finde vieles von dem, was momentan veröffentlicht wird, einfach nicht gut. Die aktuelle Petal? Nervtötend. Die neue We Were Promised Jetpacks? Enttäuschend. Ich hoffe ja auf die kommende Platte von Basement, aber auch da gehen die Meinungen nach den ersten drei veröffentlichten Songs weit auseinander.
Also darf man, meiner Meinung nach, auch ein bisschen in der Vergangenheit leben. Die 1990er-Jahre kommen nämlich im Gegensatz zu heute einfach viel unglamouröser und dadurch weniger gezwungen um die Ecke. Damals, Ihr wisst schon: Kein Internet, keine Streaming-Dienste, sondern Fanzines, Radio und Musikfernsehen (Nachtprogramm). Man musste sich schon kümmern, wollte man das neue Album einer amerikanischen Indie-Band haben. Im Falle der hier nun in Erscheinung tretenden kanadischen Lo-Fi-Band Eric’s Trip, musste ich sogar im Holland-Urlaub 45 Kilometer zu einem Plattenladen fahren, weil sie dort das grandiose Debütalbum “Love Tara” auf CD vorrätig hatten. In Deutschland waren die Alben bereits gestrichen.
Eric’s Trip ist bis heute nur einem kleinen Kreis von Musik-Nerds bekannt. Das sind zum einen Grunge-Rocker, die sich Anfang der 1990er-Jahre mit Sub Pop Records beschäftigten und so über die erste kanadische Band, die es auf das Label aus Seattle geschafft hatte, stolperten. Zum anderen sind es die wenigen Lo-Fi-Spezialisten, die sich am schrottigen Charme der Band erfreuten bzw. erfreuen. Denn es war keine Seltenheit, dass man auf den ersten 7inches der Musiker, den Hund des Nachbarn bellen hören konnte. Mich persönlich hat die Band eher dadurch begeistert, dass man die Emotionen der Musiker förmlich greifen konnte. Wenn Sängerin Julie Doiron gemeinsam mit Rick White zur Akustikgitarre singt, wird mir bis heute ganz warm ums Herz. Wenn man dann auch noch weiß, dass die beiden Mal ein Paar waren…
Sub Pop hat nun das einzig richtige gemacht. Nach der Wiederveröffentlichung von besagtem “Love Tara” auf Vinyl (2016), erschienen vor Kurzem auch die beiden anderen offiziellen Alben der Band “Forever Again” (1994) und “Purple Blue” (1996). Auf diesen beiden Alben wirkt die Band etwas gereifter als in den Jahren zuvor, aber nicht weniger ungestüm. Wenn Julie bei “Eyes Shut” “I feel so tired, I feel so tired, I feel so tired of everything. There is nothing new, nothing new, nothing new it´s all the same” ins Mikro singt, verbindet sie ihre triste Jugend im Nordosten Kanadas mit der Wut des Punkrocks. Ich liebe diesen Song.
Ansonsten besticht die Band durch einen jugendlichen Elan und eine fast schon ungesunde Verweigerungshaltung dem Mainstream gegenüber. Die Songs auf beiden Alben sind nicht immer leicht zu ertragen, da sie nicht mal den heutigen Produktionsstandards einer Kellerband standhalten können. Und doch wirkt alles wohlüberlegt. Der mega verzerrte Bass, das scheppernde, aber zu jederzeit zu differenzierende Schlagzeugspiel von Mark Gaudet und das analoge Grundrauschen, alles wirkt wohlüberlegt. Und genau das ist ja auch das geile an Songs wie “Girlfried”, “Viewmaster” (siehe Video) oder auch “Sixteen Hours”. Der Song steht für sich.
Die Band selbst hat sich übrigens offiziell bereits 1996 aufgelöst, danach aber immer mal wieder zusammengefunden. Häufig aber nur für einzelne Konzerte in der kanadischen Heimat. Julie Doiron veröffentlicht regelmäßig tolle Soloalben, Rick White produziert die dazugehörigen Videos und spielte bis 2007 mit Mark Gaudet in Elevator bzw. Elevator To Hell, die ein paar sehr gute Alben veröffentlichten. Und auch das vierte Bandmitglied Chris Thompson blieb im Dunstkreis der anderen und arbeitete mit Julie an ihrem Soloalbum “Woke Myself Up”.
Und so darf man Sub Pop gratulieren und danken, dass sie den Backkatalog dieser ebenso verkannten wie grandiosen Band wieder veröffentlicht hat. Das Vinyl kommt mit Download-Code und in buntem Vinyl, passend zum Coverartwork. Toll.