EMF
Go Go Sapiens
Eigenvertrieb
VÖ: 01.04.2022
EMF sind zurück. Und wie sie das sind. Mit einem neuen Album, dass seine Wurzeln tief in den 1990er-Jahren vergraben hat, dabei aber frisch und ambitioniert klingt, wie man es der Band nach so einer langen Zeit gar nicht zugetraut hätte. 27 Jahre (!) haben sich EMF Zeit gelassen, um ihr bis dato letztes, eher mittelgutes Album “Cha Cha Cha” vergessen zu lassen.
Okay, das war jetzt natürlich etwas verkürzt und vielleicht auch unfair formuliert. Denn zum einen ist die Band seit Jahren wieder aktiv und spielt regelmäßig Konzerte in Großbritannien. Zum anderen war “Cha Cha Cha”, das dritte Album der Band, gar nicht so schlecht. Die Band schien darauf eher ihr Ziel etwas aus den Augen verloren zu haben.
Nachdem EMF im vergangenen Jahr ihre drei Alben noch mal in einem streng limitierten Boxset veröffentlichten, war eigentlich klar, dass nun eine neue Episode der Bandhistorie beginnen wird. Die Ankündigung eines neuen Albums sorgte dann auch kurze Zeit später für Euphorie bei der stets treuen Fangemeinde. Bei mir mischte sich in die Vorfreude jedoch eher die Sorge, dass die Band damit ihre Magie verlieren könnte. Schließlich schaffen es nicht viele Musiker*innen einen guten und nachhaltigen Neustart hinzulegen. Und ja, als die ersten Teaser des Albums veröffentlicht wurden, blieb ich doch etwas skeptisch. Die Songs wirkten sehr elektronisch und ähnelten den (immerhin sehr guten) Soloalben von Sänger James Atkin. Erwartet, da muss ich ehrlich sein, hatte ich sowohl musikalisch, als auch gefühlstechnisch etwas anderes.
Dazu kommt, dass die Vorab-Single “Sister Sandinista” bei mir nicht unbedingt auf bedingungslose Gegenliebe gestoßen wäre, aber – man möge es mir verzeihen, jetzt kommt eben doch das Fan-Herz durch – sie wächst. Sehr sogar. Der Song ist letztendlich eine famose Rückkehr einer Band, die schon Rock und Elektro/Techno vereint hat, als Crossover noch gar kein nennenswertes Genre war.
“Go Go Sapiens” beginnt mit “Started It” einem perfekt gewählten Opener, steigert er sich doch eine knappe Minute lang, bis das treibende Schlagzeug die Richtung eindeutig vorgibt – nach vorne. James Atkin und Ian Dench, Gitarrist und zweiter Songwriter der Band, haben in der Folge eine ganz wunderbare Mischung aus Retrospektive und Moderne geschaffen. Man fühlt sich wohlig an die 1990er-Jahre erinnert (vor allem durch die eingebauten Samples), kann aber mit Gewissheit sagen, dass es nicht altbacken klingt.
“Crime Of Passion” hätte bereits dem Platin-Debüt “Schubert Dip” gut zu Gesicht gestanden. Das technoide “Equilibrium” wäre früher wohl eher eine der elektronischen B-Seiten geworden, die in Fan-Kreisen jedoch bis heute einen hohen Stellenwert besitzen. Für mich eher ein schwächerer Song. “Keep It Coming” zieht dann nicht nur textlich den Bogen zum Punkrock, sondern wirkt in der Grundausrichtung wie ein ausgestreckter Mittelfinger. Eine Tatsache, die ich der Band so gar nicht mehr zugetraut hätte, die aber eben auch die verschiedenen Einflüsse der Band zeigt. Und ganz nebenbei unglaublich frisch klingt. Für mich der heimliche Hit des Albums.
Bei “Dr. Strangelove” sieht man dann aber doch noch den Einfluss von Atkin auf die Band. Sehr zurückgenommen, sehr elektronisch und sehr fokussiert erinnert der Song doch sehr an die Solo-Songs des Sängers. Bemerkenswert ist, dass der Song im Gesamtkontext extrem gut passt.
Am Ende fragt man sich, warum EMF so lange gebraucht haben, um sich zurückzumelden. “Go Go Sapiens” ist ein wirklich starkes und vielseitiges Album geworden. Fans werden es lieben. Und auch wenn Charts, Radio-Airplay und Headliner-Positionen auf Festivals in Zukunft keine Rolle mehr spielen werden (und wenn doch, umso besser), die Band scheint Lust auf ein neues Kapitel zu haben. Und nach dem mehrmaligen Hören dieses Comeback-Albums, habe ich das auch. Definitiv.