EMF
From Us To You (30th Anniversary Boxset)
Believe. Records
VÖ: Mai 2021
Hierzulande verbindet man mit den britischen Indie-Rockern EMF eigentlich nur deren Welterfolg “Unbelievable”. In Großbritannien sieht das etwas anders aus. Dort erfreuen sich die Jungs aus Forest of Dean auch heute noch einer gewissen Beliebtheit. Zumindest sind die Shows in kleineren Clubs regelmäßig bereits am ersten Tag ausverkauft. So verwunderte es auch niemanden, dass das Feedback auf die nun auf Vinyl vorliegende Werkschau recht groß war. Und auch wenn der geneigte Leser sie auf normalem Wege nicht mehr kaufen kann – sie ist ausverkauft und wird nicht wieder aufgelegt – so möchte ich Euch diese wunderbare und vielseitige Band doch noch mal ans Herz legen. Denn zum einen findet man sie auf allen Streaming-Diensten und zum anderen kommt da noch was, ich bin ganz sicher.
Kurz die harten Fakten. Die Box umfasst die drei regulären Alben “Schubert Dip” (1991), “Stigma” (1992) und “Cha Cha Cha” (1995). Dazu kommt mit “Flipsides And Bonafides” eine Sammlung von raren oder unveröffentlichten Songs. Abgerundet wird die Box von einer Kassette mit den Demos ihres Debütalbums sowie einer Download-Karte auf der neben den Alben auch ein langes Interview mit der Band zu finden ist. Alles in allem sehr umfangreich und liebevoll zusammengestellt. Dass die Alben auch noch neu gemastert wurden, was gerade “Stigma” noch besser macht, sei nur am Rande erwähnt.
Beim ersten Hördurchgang fällt auf, wie gut das Debütalbum “Schubert Dip” eigentlich gealtert ist. Bei vielen Bands aus dieser Rave-Madchester-Brit-Pop-Ecke denkt man ja heute, dass das doch eher uninspirierte Musik war. “Schubert Dip” ist dagegen sehr zeitlos. Das liegt zum einen an der sehr hohen Hitdichte (“Children”, “I Believe”, “Lies”, “Unbelievable” schafften es alle weltweit in die Charts) zum anderen aber auch daran, dass sich die Band schon damals allen Genres verweigerte. So sind “Long Hot Summer Days” und “Longtime” wirklich großartige Songs, die einzig und alleine deshalb keine großen Hits geworden sind, weil die 1980er-Jahre zu dolle durchschimmerten und das in den ersten Jahren der 1990er kein zwingendes Erfolgsrezept war.
“Stigma” hingegen ist ein formidabler Flop gewesen. Die Härte und die doch sehr präsenten Techno-Elemente waren damals sicher ihrer Zeit voraus. Hören wollte das damals aber niemand. Auch ich war kurz irritiert, hatte mich aber durch die einige Monate vorher erschienene EP “Unexplained” schon mal seelisch auf eine neue Musikrichtung eingestellt. Heute ist das Album in Fankreisen extrem beliebt und auch ich höre dieses Album nun seit fast 30 Jahren wöchentlich. Kein schlechter Song und eine unterschwellige Aggressivität, die mich als Jugendlicher genauso fasziniert hat, wie es das heute tut. “They’re Here” und “The Light That Burns Twice As Bright” haben mich mit 14 sicherlich mehr in Richtung Punk gedrückt, als alle The Clash- und Ramones-Alben zusammen. Ihr habt 40 Minuten Zeit? Hört Euch dieses Meisterwerk an.
“Cha Cha Cha” war kein Flop mehr, dafür waren EMF damals schon zu sehr aus dem Fokus der Mainstream-Medien verschwunden. Mit “Perfect Day” hatte das Quintett noch einen wirklich hellen Moment. Die erste Single knallt bis heute ganz gut. Der Rest des Albums – und das zeigen auch die Spotify-Klickzahlen – ist eher undefiniert und schwierig. Ich liebe ja “Patterns”, ein melancholischer Akustik-Song. Auf der in der Box enthaltenen “Vinyl Cut”-Version fehlt der Song aber. Die Band mochte den Song offensichtlich nicht so.
“Flipsides And Bonafides” hingegen ist eine sehr spannende Sammlung alter und neuer Songs. Warum es “Angel” damals nicht auf “Cha Cha Cha”, sondern nur auf die B-Seite von “Perfect Day” geschafft hat, wird immer das Geheimnis der Band bzw. der Plattenfirma bleiben. Super Song. “Space” haben Ian und James während der Pandemie mal online live gespielt und ich habe ihn sofort geliebt. Mit Blick auf das Cover musste ich jetzt aber feststellen, dass der Song bereits 1995 (also auch zur Zeit von “Cha Cha Cha”) geschrieben wurde. Was hätte das dritte Album von EMF für ein Meisterwerk werden können… Aber lassen wir das. “Elevator” und “Elephant” wurden 2014 von der Band geschrieben und aufgenommen. Beide Songs zeigen hoffentlich, in welche Richtung die Band geht, sollte sie jemals wieder ein Album aufnehmen. Denn ein Song wie “Elevator” zeigt, was für großartige Songwriter in dieser Band schlummern.
Momentan ist die Band also sehr aktiv. Ende des Jahres sind zwei Konzerte in England angekündigt, die beide innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren. Sänger James Atkin und Gitarrist Ian Dench scheinen darüber hinaus ein paar Songideen auszuarbeiten. Zumindest posten sie immer mal wieder kurze Videos aus ihren Heim-Studios. Man munkelt auch von einer richtigen Tour im Frühjahr, was aber natürlich noch nicht final geplant werden kann. Fucking Covid macht auch hier den ein oder anderen Plan etwas kompliziert in der Umsetzung. Und darüber hinaus wurde der bandeigene Shop mit alten Shirtmotiven bestückt. Das Fanherz schlägt also immer heftiger. Und ich kann es kaum abwarten, die Band endlich wieder live zu sehen, denn live sind sie unschlagbar. Und das seit 30 Jahren.