Elliott Smith
Elliott Smith (Expanded 25th Anniversary Edition)
Kill Rock Stars
VÖ: 28.08.2020
Im Jahre 1995 hatte ich Elliott Smith noch gar nicht auf dem Schirm. Wie bei so vielen wurde ich erst durch den Film “Good Will Hunting” (Gus van Sant, 1997) und Elliotts folgendem Wechsel zu einem Major Label (“XO”, 1998 DreamWorks) auf das berührende Werk des nach außen hin schüchternen Musikers aufmerksam. Nach und nach vertiefte ich mich in die teilweise seelischen Offenbarungen von Smith. Es brauchte nicht lange, bis “Either/Or” (1997 Kill Rock Stars) ein Lieblingsalbum wurde. Das Entdecken des selbstbetitelten Vorgängers, der nun sein 25-jähriges Jubiläum mit einem neu gemasterten Release sowie einer tollen Aufmachung inklusive Fotobuch feiert, benötigte bei mir etwas Zeit. Heute weiß ich allerdings Songs wie “The White Lady Loves You More”, “Southern Belle” oder “St. Ides Heaven” zu lieben und zu schätzen.
Zu sehr war ich anscheinend von der besseren Produktion der “XO”-Scheibe, allen voran von seinem Hit “Waltz #2”, dem hüpfenden “Baby Britain” oder dem unfassbaren “Everybody Cares, Everybody Understands” beeindruckt, dass ich mich nicht ausreichend genug um die früheren Songs von Elliott Smith kümmerte. Zudem schienen die Stücke “Between The Bars”, “Say Yes”, “Angeles” oder das Oscar nominierte “Miss Misery” über allem erhaben zu sein. Wenn man sich heute das Album “Elliott Smith” anhört, beeindruckt die unverbrauchte, ehrliche und selbst-aufgebende Art und Weise der DIY Produktion noch ein wenig mehr, als es “Either/Or” geschafft hat. Vielleicht sind die Songs auf “Either/Or” allgemein gesehen stärker und gehen bei einigen mehr Menschen ins Ohr. “St. Ides Heaven”, “The Biggest Lie” oder “Clementine” musst du aber auch erstmal schreiben können. Es vervollständigt das Bild auf Elliott Smith und gibt den Songschreiber um einiges wertvoller wieder, als es die dann größeren Produktionen nach 1998 getan haben. Der rohe Klang der Originalaufnahmen wurde durch das Remastering der Anniversary Ausgabe nicht ad acta gelegt, sondern filigran verfeinert und steigert damit definitiv den Hörgenuss. Da macht es richtig Lust, sich nochmal in das Mut machende “Good To Go” zu verlieben oder bei dem so wertvollen Selbsteingeständnis von “The Biggest Lie” eine Träne zu verdrücken.
“Elliott Smith” entstand zwischen 1994 und 1995, als Elliott auch noch Mitglied der Band Heatmiser war und sich quasi als Side Project um seine Solosachen kümmerte. Solo konnte sich Smith natürlich mehr ausschütten, als dass es bei Heatmiser in Kombination mit seinen Freunden Neil Gust und Sam Coomes (u.a. Quasi) der Fall war. Man sagt der Erfolg der ersten beiden Soloplatten von Smith, “Roman Candle” (1994) und eben “Elliott Smith” (1995), verursachten Spannungen in der Band, so dass Heatmiser sich dann 1996 auflösten.
Das mir vorliegende Expanded Package der 25-jährigen Jubiläumsausgabe von “Elliott Smith” beinhaltet neben dem neu gemasterten Album auch noch einen Livemitschnitt des ersten Liveauftritts von Elliott Smith als Solokünstler. “Live At Umbra Penumbra” wurde am 17. September 1994 in Portland mitgeschnitten. Der Liveauftritt enthält neben Songs aus dem Debüt “Roman Candle” auch diverse Raritäten. Wie zum Beispiel das wundervolle Stück “Some Song” (B-Seite von “Needle In The Hay”) oder der Song “Crazy Fucker”, der lange Zeit auch als “Another Standard Folk Song” auf diversen Livemitschnitten bekannt war. Andere Songs wie “Whatever (Folk Song In C)” oder “Big Decision” wurden erst 2007 auf der Kill Rock Star-Compilation “New Moon” als Studioversion herausgebracht. Der Livemitschnitt “Live At Umbra Penumbra” wird mit dem Song “Half Right” beendet. Hierbei wird Elliott Smith durch Heatmiser-Kollege Neil Gust an der zweiten Gitarre unterstützt. Im Jahre 1996 sollte “Half Right” als Hidden Track auf dem Heatmiser Album “Mic City Sons” zu finden sein. Durch die zusätzlichen 10 Livetracks wird nahezu die komplette Phase zwischen 1994 und 1995 auf der Expanded Edition von “Elliott Smith” abgedeckt. Ein schöner Genuss für jeden Fan.
Was der Fan auch mögen wird ist das schick aufgemachte Booklet. Die Platte ist quasi ein in einem Leinen-Hardcover gepacktes Fotobuch. J.J. Gonson, damalige Freundin von Elliott Smith, Heatmiser Managerin und Fotografin (u.a. war sie für das Cover-Artwork für “Roman Candle” und “Elliott Smith” verantwortlich), hat ausgewählte Fotos vom Zeitraum der Aufnahmen zusammengestellt. Dazu gibt es, soweit ich weiß erstmals, die abgedruckten Lyrics des Albums und zusätzliche Worte von Weggefährten wie Neil Gust, J.J. Gonson selber oder Pete Krebs (Hazel). Bezüglich des Vinyls finde ich es etwas schade, dass die Expanded Edition nicht als 180g Vinyl erschienen ist. Die limitierte gelbe Vinylfassung ist bereits vergriffen. Ich persönlich mag schon länger wieder lieber das schwarze Vinyl.