Richtiger Fan von einem Musiker oder einer Band zu sein, ist immer so eine Sache. Bei der ersten Ankündigung einer neuen Tour ist der geneigte Fan erst einmal aufgeregt. Vor allem dann, wenn es sogar ein Konzert in der Heimatstadt geben soll. Der erste “Downer” kommt gewöhnlich bei Veröffentlichung der Ticketpreise und des Vergabeverfahrens. Spätestens jetzt fängt außerdem der Stress an. Gästeliste anfragen? Aussichtslos. Kann ich mir die Tickets überhaupt leisten? Kriegen wir irgendwie hin. Auf der Arbeit Karten online bestellen, mit dem Wissen, dass das mehrere Stunden dauern kann? Keine Option. Also Urlaub einreichen und hoffen, dass man zu den glücklichen Ticketkäufern gehören wird. Ist das dann erst einmal geschafft, wird aus Aufregung Vorfreude. Und nach dem Konzert? Nach dem Konzert muss man erst einmal darüber nachdenken, wie man das Erlebte in seine Gefühlswelt einsortieren kann. Im Falle des Eddie Vedder-Konzerts in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle ist das gar nicht mal so einfach.
Zuerst einmal gab es nämlich ein bisschen Unruhe, wurden doch am Tag vor dem Konzert noch mal knappe 200 Karten freigeschaltet. Unter anderem Tickets in der 1. Kategorie direkt vor der Bühne. Ich persönlich habe das als etwas unglücklich empfunden, da ein Umtauschen oder Upgraden der Tickets nicht mehr möglich war. Die Frage nach dem ‘Wie ist das möglich?’ darf gestellt werden, wird aber in der Nachbetrachtung einfache Gründe haben. Nicht abgerufene Fan-Club- oder Promotion-Tickets und der Sitzplan, der erst kurzfristig mit dem Bühnenaufbau abgeglichen werden konnte. Sei es drum. Diskutiert wurde vor und in der Halle mit dem Resultat, dass es am Ende eigentlich auch egal ist.
Nicht egal ist die Atmosphäre bei solch einem Konzert. Und die ist in der Mitsubishi Electric Halle natürlich Grütze. Bei klassischen Rockkonzerten fällt das nicht ganz so auf, bei einer komplett bestuhlten Veranstaltung kommt man jedoch nicht umhin, dass einfach keine warme Atmosphäre möglich ist. Man stelle sich solch einen Abend in der Tonhalle vor. Das Echo (!) in der Halle sowie die fast schon frechen Getränkepreise fallen da kaum noch ins Gewicht.
Glen Hansard betritt um Punkt 20 Uhr die Bühne und innerhalb weniger Momente ist die ganze Nörgelei vergessen. Was für eine unfassbare Stimme. Was für eine unglaubliche Ausstrahlung. Ich mochte seine Songs ja schon zu “Once”- und The Frames-Zeiten, bin jetzt aber doch überrascht, wie stark dieser Mann solo auf der Bühne ist. Dass er mit “When Your Mind’s Made Up” auch noch meinen Lieblingssong des Oscar-prämierten Soundtracks spielt, ist nicht nur für mich ein erster Höhepunkt eines immer besser werdenden Abends. Welch hohen Stellenwert der Ire beim Publikum inne hat, erkennt man auch an der schon extrem gut gefüllten Konzerthalle.
Das Red Limo String Quartett startet mit “Even Flow” in den Abend, bevor es mit “Long Road” und “Love Boat Captain” und einem nachdenklichen Pearl Jam-Sänger weiter geht. “Lost nine friends we’ll never know… nineteen years ago today.” Roskilde im Kopf und im Herzen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das damals in den Musikern ausgelöst hat. Umso schöner, dass Vedder immer wieder an die viel zu früh gestorbenen Festival-Besucher erinnert. “Elderly Woman Behind The Counter In A Small Town”, “Just Breathe”, “Off He Goes”, “I Am Mine”, “Rise” und “Last Kiss” standen bei mir auf der ‘Will ich unbedingt hören’-Wunschliste, genau wie “Better Man” und “Corduroy”. Hatte ich in Berlin beim Pearl Jam-Konzert im vergangenen Jahr noch etwas Pech mit der Setlist, ist sie heute nahezu (gibt ja immer was zu nörgeln) perfekt. Auch an der Auswahl der Coversongs gibt es nichts zu beanstanden. “I Won’t Back Down” von Tom Petty ist ebenso großartig, wie das mit Hansard gespielte “Song Of Good Hope”. An der Orgel performt Eddie Vdder das bewegende “I’m So Tired” von Fugazi. Und auch John Lennons “Imagine” funktioniert, obwohl ich den im Radio kaum ertrage. Am Ende spielt Eddie Vedder auch noch “Seasons”. Dieser auf dem “Singles” Soundtrack erschienene Chris Cornell-Song kommt überraschend. Er widmet den Song Cornells Tochter Lilly, die kurz vor dem Roskilde Auftritt von Pearl Jam geboren wurde, unmittelbar bevor es zur Katastrophe auf dem dänischen Festival kam. Sichtlich mitgenommen wirkt Vedder, teilweise nicht ganz anwesend und in Gedanken bei seinem verstorbenen Freund Cornell und dessen Familie sowie sicherlich auch bei den verstorbenen Pearl Jam Fans, die auf den Tag genau vor 19 Jahren ihr Leben verloren haben. Eddie Vedder begeistert mit dieser sentimentalen Performance zum Schluss und nach mehr als zwei Stunden Achterbahnfahrt der Gefühle das euphorische Publikum.
Am Ende gibt es noch unfassbar viel zu schreiben. Über Greta Thunberg, die von beiden Musikern erwähnt wird, über das famose Streicher-Quartett und über meine überaus dämliche Sitznachbarin (besser gesagt, die meiner bezaubernden Frau) sowie über das Event-Publikum, dass leider auch bei diesen Konzerten immer stärker vertreten ist. Aber diese ganzen Gefühle und Einflüsse muss jeder selbst verarbeiten und bewerten. Ich persönlich nehme auch auf dieser Ebene wieder einiges mit und bin glücklich. “Oh I’m a lucky man, to count on both hands the ones I love” singt Vedder in “Just Breathe” und an einem Abend wie diesem, bin ich dieser glückliche Mensch. Danke.
Foto Header / Blogpost: Diana Ludwigs