Disheveled Cuss
Disheveled Cuss
Sargent House / Cargo Records
VÖ: 12.06.2020
Mit dem selbstbetitelten Werk der Band Disheveled Cuss veröffentlicht Nick Reinhart einen zeitlosen Alternative-Rocker, der in Sachen Songwriting und Melancholie zurück an die ganz großen der 90er Jahre denken lässt. Dabei provoziert das Tera Melos Mitglied Reinhart Kollisionen zwischen großen Poprock-Hymnen a la Weezer, Nada Surf oder Teenage Fanclub mit melancholisch verquerten Sachen, die unter Einflüssen von Pavement, J Mascis oder Elliott Smith entstanden sind. Das Album “Disheveled Cuss” katapultiert mich in die Vergangenheit und lässt gleichzeitig die nicht endende Liebe zu einem introvertierten und teilweise schnulzigen Gitarrensound neu entdecken. Mit ordentlich viel Herzschmerz, Beziehungsproblemen und aus Liebe entstandener Wut haben Disheveled Cuss nicht nur lyrisch die Angelrute ausgepackt. Disheveled Cuss haben den großen Songwriterschlüssel stibitzt und wenden ihn gnadenlos an.
Während Nick Reinharts Band Tera Melos sich auf progressiven Math Rock und eigenwilligen Rock-Ambient-Sound konzentriert, erschuf Reinhart zusammen mit seiner Band Disheveled Cuss etwas ursprünglich ganz Normales. Zumindest aus der Sicht des Protagonisten. Die einfachen Rocksongs sollen ja bekanntlich auch meist die besten sein – zumindest sind sie die zugänglicheren. Das wurde schon in den Vorabtracks “Wanna Be My Friend” oder “She Don’t Want” mehr als deutlich. Klassische Riffs und einprägende Melodien, klatschende Rhythmuseinlagen und ein wiederkehrendes Grundsystem im Strophe-Vers-Strophe Schema. Mit seinem Nerv treffenden “Nu Complication” und dem experimentierfreudigeren “Oh My God” ließ ich mich im Preview auf das Album sogar zu einem Satz hinreißen, der erst mal aus mir rausgelockt werden will: Es könnte durchaus sein, dass Disheveled Cuss mit ihrem selbstbetitelten Debüt mein Album des Jahres veröffentlichen werden. Das Album ist in der Tat ein sehr gutes geworden und besitzt mit den Songs “Don’t Paint The Sun” und “Sun Land” nur zwei schwächere Tracks. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau und letztendlich reine Beurteilung meines Hörempfindens. Insgesamt sind die elf Songs äußerst stimmig und vor allem konsequent in ihrer melancholischen Ader. Nach und nach gefallen mir die die Stücke “Fawn” und “Surf-101” mit ihrem gekonnten Mix aus Up und Downs am besten. Etwas weg vom hitverdächtigen und gespickt mit leichter Dissonanz und Traurigkeit. Wer auf mehr Radiotauglichkeit steht, der wird von dem bereits erwähnten “Nu Complication”, dem süßen Rocker “Shut Up” und dem Albumopener “Generic Song About You” nicht enttäuscht sein.
Durch feine Nuancen im Songwriting entgeht die Platte einer stupiden Reminiszenz an die Alternative- und Independent-Musik der 90er Jahre. Gut, die Songs wirken im ersten Hören nicht neu und eine gewisse Nostalgie ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch: Disheveled Cuss sind auf ihrem Debütwerk höchst innovativ, gradlinig, strukturiert und zeitlos interessant.