Die Wände
Im Flausch

Späti Palace
VÖ: 08.03.2019

Hach… ich bin Im Flausch! Besser gesagt im Rausch. Das war ich schon, als Die Wände noch Girlie hießen und mir ihr sieben Minuten Meisterstück “Terms & Conditions” vorspielten. Nun heißen Carsten von Postel, Mathias Wolff und Jann Petersen Die Wände und haben über die wundervollen Leute vom Berliner Plattenlabel Späti Palace ihr erstes Langspielalbum veröffentlicht. Ein Hörflausch für sämtliche Independent, Post-Punk, Pop- und Noiserock-Fans. Hier ist so viel Leidenschaft und Qualität drin, dass sich Die Nerven und Sonic Youth nicht hörbar die Klinke in die Hand geben. Rhythmische Tempowechsel, schräg schöne Gitarrenriffs im besten, noisigen und zeitlosen Stil sowie penetrant durchdringende und groovende Bassläufe – und das alles wird in jedem der acht Songs unglaublich gefühlsnah und kunstvoll performt. Dazu ist das ganze sehr eingängig und infiltriert mit teils kryptisch melancholischen Lyrics wundervoll dein Hirn.

Schon das tragende, zeitweise nölig gesungene “Im Park Und Im Café” zieht einen sofort in den Bann. Du erkennst das Eingängige genauso wie den nicht zu bändigenden Noisepart, der stets kontrolliert erscheint – wie sich alles in einem berauschenden Sound ballt und aufbaut. Den tosenden Zusammenbruch vermeiden Die Wände jedoch. Sie betten den Hörer auf ihrem flauschigen Noise, so will ich es mal sagen. Der Song “Projektor” wirkt zuerst wie ein schlagfertiger Radiohit und ufert dann, inklusive Saxophon-Improvisation im Mittelteil, zum artigen Rockpopstück aus. Nicht weniger faszinierend. Die Wände bauen gekonnt Spannung auf und sind in keiner Minute langweilig. Ob es nun der knapp zwei Minuten lange Punkknaller “Halten Sie Ihre Pläne Geheim” oder das mega gute “11:55” mit siebeneinhalb Minuten Länge ist. Das ist alles so wohltuend – jeder Klang, jeder Fetzen Kunst, jede angerissene Saite, jedes zelebrierte Sneardrumspiel lassen dich ein wenig aus der realen Welt entfliehen. Positiv lethargisch macht mich das. Man könnte auch träumerisch sagen. Auch wenn das Instrumentalstück “Alles Ist Klasse” wie ein punkiges Radiojingle fungiert und mit seinem Speed dich wieder nach vorne holt, nur um dich auf das letzte Highlight in Form der zweiten Single “Formgedächtnispolymer” vorzubereiten. Noch so ein super Song, der mich anderthalb Minuten vor Schluss so richtig packt, wenn der harmonische Cut kommt und der Track sanft und choral ausklingt.

Dass die drei Kunststudenten ihren Background in die Musik einfließen lassen, erkennt man nur sporadisch. Hier spielen sicherlich die musikalischen Einflüsse und das Herumtreiben zwischen Bands wie Trucks, Kala Brisella oder Pigeon auch eine Rolle. Die artigen Videos, Bandfotos und Cover von Die Wände lassen da jedoch mehr Spielraum, darstellende Kunst mit der Musik zu verbinden. Das Gesamtpaket passt und “Im Flausch” ist für mich schon jetzt eine der besten deutschsprachigen Platten des Jahres. Verträumt, poppig und noisig zur gleichen Zeit – kunst- und druckvoll, laut und melancholisch. Sehr sehr stark. Kaufen und ganz laut aufdrehen!

➤ Order: Die Wände - Im Flausch (via Späti Palace, Bandcamp)
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