DIE WÄNDE
Die Wände

Glitterhouse Records
VÖ: 15.04.2022

Die Wände aus Berlin denken gar nicht daran sich irgendwelchen Algorithmen anzupassen, sondern gehen schnurstracks ihren eigenen Weg. Und dass sie das unter anderem so können, liegt an den Leuten bei Späti Palace oder der jetzigen Herberge des Trios, Glitterhouse Records. Schon zu Girlie Zeiten, so hieß die Band mal früher, schaukelte sich der Wände Sound zwischen Post-Punk und Noise mächtig nach vorne, blieb treibend, ausufernd und schaffte eine artige Atmosphäre in Bauch und Ohr. Das neue selbstbetitelte Album “Die Wände” wurde nun am 15. April veröffentlicht. Acht Tracks, die scheinbar alles können.

Dass mit “Die Ewige Baustelle” ein dreizehnminütiger Song Album Nummer zwei einläutet, ist schon ungewöhnlich. Bei den sich wiederholenden Durchläufen, die das Album hier schon erfahren hat, ist dem jedoch gar kein Grund entgegen zu bringen, warum das so nicht sein sollte. Eher im Gegenteil – letztendlich bildet der Track mit seiner dynamischen Struktur eine Art Sog für das ganze Album. Ich als Musikfan freue mich, dass ich hier Geduld aufbringen und mir Zeit nehmen muss, um mich dann fallen lassen zu können. Dass das hin und wieder fordert und nicht für kurzweilige Einschübe geschaffen ist, ist logisch. Die Wände können aber auch anders. Das bewiesen bereits die beiden Videoauskopplungen “Müssen Nur Sollen” und “Der Trick”. Die beiden deutlich rockig- und punkigeren Songs empfehlen sich als knackige Hits. Auf dem Album stechen sie somit ohnehin heraus und bedienen hier eindeutig den Airplayfaktor – geschuldet for allem dem gelungenen und griffigen Tempo. Überwiegend jedoch konzentrieren sich Die Wände auf zwanglos, entschleunigende Klänge, die auch in Form von “Future Me” durchaus groovy wirken und an die Labelkollegen Die Nerven erinnern.

Zum gefühlt improvisierten und gelassenen Sound, präsentieren die Texte einen starken Kontrast dazu. So singt Gitarrist und Sänger Carsten von Postel von bedrückenden Wahrnehmungen der heutigen Leistungsgesellschaft, der Schnelllebigkeit, der durch die Pandemie sicherlich verstärkten Einsamkeit, dem Dunkeln und den Zukunftsängsten. Auch wenn sich thematisch verglichen mit ihrem ersten Album “Im Flausch” (2019) einiges überschneidet, sind Die Wände 2022 deutlich düsterer geworden und textlich weniger verspielt. Im Jazz mäßig chaotischen Instrumental “#191970” interpretier ich gleichermaßen Freigeist als auch ein unsicheres Standing in unserer Gesellschaft hinein. Mit dem abschließenden “24h” schließt das zweite Album genauso lange, wie es für den Einstieg gebraucht hat. Behäbig wälzen sich die Post-Punk Basslinien zu Beginn. Nach und nach schrammeln ein paar Akkorde, es folgen Melodie und das einsetzende Schlagzeug. Es dauert seine viereinhalb Minuten bis der Song sich dahin hingeschaukelt hat, von wo aus er auch nicht mehr aufhören kann. Prädestiniert für einen immer größer werdenden Noise, bricht “24h” jedoch irgendwann ab. Dabei scheint der Song nahezu zu verstummen und kommt dann doch noch einmal zurück.

Das zweite Album von Die Wände kommt wohl überlegt, konstant treibend und mit einem kunstvollen Post-Punk rüber. Es bietet einen spürbaren Ausgleich gegenüber Leistungsdruck und zugewiesenen Erwartungen in Job und Alltag. Das Müssen und das Sollen kommen näher. Die Wände kommen näher. Einfach mal wirken lassen.

➤ Preorder: Die Wände - Die Wände

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