Out
Die Nerven
Glitterhouse Records
VÖ: 09.10.2015
Out ist noch nicht ein mal out und schon gewaltig In. Gemischte Gefühle machen sich breit angesichts der großen Euphorie um Die Nerven, die zur Zeit beste Band des Landes? Trotz, Genervtheit, Protest, Realitätsflucht – all das, was die gewollten Außenseiter, weil andere sie so sehen, ausmacht, wird allen abseits des Mainstreams gehörig in die Adern fließen. Out ist die logische Weiterentwicklung vom Post-Punk und Noise der beiden klasse Vorgänger Fluidum und Fun. Die Songs, gespickt mit Aufs und Abs in bester 90er Indiepunk Manier á la Sonic Youth, vermitteln dir gekonnt was Julian Knoth (Gesang, Bass), Max Rieger (Gesang, Gitarre) und Kevin Kuhn (Schlagzeug) bewegt. Das klingt nach Bewegung, innerlicher – das klingt nach Punk, nach Einstellung, nach Wachrütteln und wütendem Protest.
Der aus Stuttgart kommenden Dreier unterschrieb jüngst bei Glitterhouse Records – kaum ein besseres zu Hause scheint es zu geben, um dieses zeitlose Paket musikalischer Gewalt auszukoppeln. Die gemeinsame Schnittmenge passt und könnte Band und Label weiter nach oben katapultieren. Noch im April 2013 hatte ich eine andere Meinung: Nach einem Konzert im abgeranzten Naherholung Sternchen, in Berlin, empfand ich in keinster Weise so, dass mich irgendwie nochmal etwas von Die Nerven interessieren würde. Die anhaltende Begeisterung der im Umkreis angesiedelten Musiknerds, machte mich umso mehr stutzig. Nun brachten die ersten Klänge von Out mich tatsächlich dazu eine Kehrtwende zu machen. “Mach die Augen auf” schreien Die Nerven mir in Gerade Deswegen ins Ohr, schmeißen mir harmoniegeladene und gleichzeitig dissonante Töne um den Kopf. Mit noisigen Passagen reißen Die Nerven immer wieder Löcher in alternative Wohlfühlmelodien (Ich hab gelogen) oder hauen mit Dreck einen knackigen Rocker raus. Der Song Wüste ist ein epochales Meisterwerk. Ein unglaublicher Track, der packt und den man ganz laut aufdrehen will. Barfuß durch die Scherben ist seit einigen Wochen bereits im Stream vorab zu hören und beschreibt nur in Ansätzen jenes, was da am Freitag in den Plattenläden stehen wird. Da kommen dann so Tracks wie Jugend Ohne Geld oder Den Tag Vergessen auf einen zu, dessen Punkattitüde in ein klassisches Bild von Abwärts, Die Goldenen Zitronen oder unbekannteren Bands wie Oiro oder Potato Fritz zuzuordnen ist. Wohin die Reise mit Out gehen kann, ist allen völlig klar. Was Die Nerven daraus machen, bleibt die große Überraschung. Beeinflussen lassen sich die Egopunker sicherlich nicht. Simpel gesagt ist es Ihr Ding und nicht das der Anderen – das hatten sie damals schon im Sternchen gemacht. Und vielleicht ist es genau das, warum die gemischten Gefühle angesichts der entfachenden Euphorie völlig unangebracht sind. Hast du was gesagt?
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