Deafheaven
Ordinary Corrupt Human Love

Anti Records
VÖ:13.07.2018

Wie weit kann man mit ultimativen Lobeshymnen eigentlich gehen? Es stimmt einfach, was bisher so alles behauptet wurde: Ordinary Corrupt Human Love ist ein wahnsinnig gutes Album geworden. Wahrscheinlich sogar wirklich das beste Album, welches Deafheaven bis jetzt veröffentlicht haben. Dabei würde ich das Ganze aber doch irgendwie trennen. Denn die Entwicklung Deafheavens schreitet auf Ordinary Corrupt Human Love unaufhaltsam und mehr denn je in Richtung Post- und Dream-Rock und in größten Teilen weg von dem vorher eindeutig mehr praktizierten Black Metal voran. Das zieht natürlich mehr Leute an, als allein die Spate der schnellen Drums und des Kehlkopfgesangs. So sind Vergleiche mit dem Debütalbum (Roads To Judah, 2011) oder dem Durchbruchswerk Sunbather (2013) kaum zu greifen, wo eindeutig rauere Phasen überwiegten und selbst die elegischen Flächen mit wütenden Riffs untermalt wurden. Deafheavens neues Werk dagegen baut auf deinen weichen Kern, lässt dich mit sanft klingenden Klavierpassagen wie auf Wolken über dem Boden schweben. Natürlich wirst du hin und wieder gnadenlos zurückgeholt, jedoch wirken die in den Songs verschachtelten Ungetüme gezähmter. Nichtsdestotrotz soll so ein Werk erstmal geschaffen werden. Sieben Songs, epische, ja Soundtrack-hafte Hymnen breiten sich da größtenteils aus. Schon der Beginn des Openers You Without End, die ganze Entwicklung schließlich im Song, kann bei dem ein oder anderen zu Tränen rühren. Selten war ein Deafheaven Album so melancholisch und herznah. Zwischen Hässlichkeit und Anmut – am besten beschrieben im Track Worthless Animal, in dem Sänger George Clarke dich wie ein Gollum aus tiefster dunkler Höhle sein Leid ins Ohr rotzt.

Ich ließ die Platte vergangene Woche auf einer längeren Zugfahrt laufen. Schaute aus dem Zugfenster. Bei schönstem Wetter blickte ich auf die heimatliche, recht einfache Struktur der Natur. Die sich spiegelnde Sonne, das Grün und Gelb der Felder, die Musik von Deafheavens Ordinary Corrupt Human Love auf den Ohren. Gut jetzt kann man meinen, dass sich in so einer Situation nahezu jede Platte zu einem sentimentalen Schock aufbauen kann. Das Gemisch passte jedoch in diesem Moment noch einen Ticken mehr. Schönheit und Brachialgewalt spielten sich gegeneinander aus. Die Tücken im eigenen Leben, die politische Lage, der Egoismus und die Intoleranz im Gegensatz zu meinem Blick nach draußen, auf eine Ruhe, auf eine scheinbar heile Welt. Honeycomb und Canary Yellow lieferten die Begleitmusik. Und ließen dabei wütend machende Gedanken verpuffen und Schönheit genießen. Während die ruhigen Dream-Rock und Post-Rock Phasen zunehmend Explosions In The Sky ähneln, erweckt manch ein Gitarrensolo Erinnerungen an klassische Hard Rock/Metal Elemente der Endachtziger und Anfangneunziger. Für Zeitlupenverhältnisse im Kopf sorgen Songs wie You Without End, Near und das schon an poppige Slowdive und Mazzy Star Zeiten erinnernde Night People (mit Chelsea Wolfe Feature). Deafheaven holten lyrische Anleihen von Graham Greenes Roman Das Ende Einer Affäre oder von Julio Cortazars Novelle Hopscotch. Das alles wird zu Deafheavens ganz persönlichen Exorzismus aufgebaut und entzweit die vom Bösem befallene Liebe. Sehr sehr gut.

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On Tour (ausgewählte Termine):

  • 15.09.2018 Beatpol, Dresden
  • 26.09.2018 Essigfabrik, Köln
  • 27.09.2018 Bi Nuu, Berlin
  • 28.09.2018 Jubez, Karlsruhe
  • 09.10.2018 Feierwerk, München
  • 14.10.2018 Arena, Wien (AT)