Colleen Green
Cool
Hardly Art
VÖ: 10.09.2021
Indie-Pop-Slacker Queen Colleen Green kehrt nach einer fast sechs jährigen Albumpause zurück. Ihr neues Werk “Cool” knüpft im Prinzip an den in der DIY-Szene bekannten Green-Sound von 2015 nahtlos an. Gefühlt hat sich an den minimalistischen Tracks im ersten Moment wenig geändert. Und doch ist “Cool” quasi ein neuer großer Schritt für die coolste Sonnenbrillenträgerin Kaliforniens. Denn “Cool” hebt den vormals catchigen Lo-Fi-Sound vergangener Platten in ein klareres und teilweise greifbareres Spektrum an. Produzent Gordon Raphael (u.a. für The Strokes tätig) ist es so gelungen, den Independent-Charme, der mich seit ihrer 2011er EP “Cujo” abholt, beizubehalten.
So wird der Drumcomputer durch Studioschlagzeuger Brendan Eder ersetzt und an den Reglern sitzt neben Gordon Raphael der HipHop- und Filmmusikproduzent Nicholas ‘Aqua’ McCarrell. Das alleine schon wirkt sich äußerst positiv auf den Sound aus, obwohl Greens Lo-Fi-Homerecording-Style durchaus ihren Charme hatte. Natürlich kann ich verstehen, wenn bei dem Anspielen von Colleen Green Songs der:die eine oder andere etwas vermisst. Allen voran jedwede Art von Dynamik. Ein Ausbrechen oder Abstürzen, ein gewolltes Chaos sucht man hier vergebens (Ausnahmen bestätigen die Regel, wie im Song “I Believe In Love” gegen Ende belegt wird). Der jedoch oftmals monoton und statisch wirkende, heruntergefahrene Sound zwischen Indie- und Poppunk kann nämlich auf Albumlänge die Kurzweiligkeit der einzelnen Songs vergessen lassen. Wer sich aber darauf einlässt, weiß die kleinen Feinheiten und Earcatcher der aus L.A. kommenden Mitdreißigerin zu schätzen. So stellt die erste Vorabsingle “I Don’t Wanna Be A Dog” noch einen typischen, zeitlosen Stil der Vorgänger Platte “I Don’t Wanna Grow Up” von 2015 dar, während die in meinen Ohren wohltuenden Highlights “Posi Vibes” und “Highway” einen facettenreicheren Input, trotz dargebotenem Minimalismus, besitzen. Colleen Green vereint Blondie und Kim Wilde der Ende 70er/Anfang 80er-Jahre, präsentiert sich dazu wie der coole Dee Dee Ramone und bleibt im Innern wahrscheinlich immer ein Fangirl der 90er Grunge- und Punk-Szene. Heutzutage schiebt sich Colleen Green gekonnt zwischen Labelkolleginnen wie Vivian Girls, La Sera oder Chastity Belt und klingt dabei auch mal in Richtung The Organ oder Automatic. New-wavige Basslines lassen grüßen. Nur Erwachsenwerden will Colleen Green irgendwie nicht. Denn so, wie auch ihre bisherigen Outputs, haben Inhalt und Präsentation ihrer Musik immer noch eine anhaftende Coming of Age-Attitüde. Vielleicht kann ich das auch einfach Lebenserfahrung nennen, die sich gefühlt in den Songs widerspiegelt. Der dabei nicht zu kurz kommende humoristische Unterton macht Green noch sympathischer, als sie eh schon ist.
“Cool” besteht für mich demnach weniger aus treibenden Gassenhauern, sondern liefert mir vermehrt verträumte Soundtrackpassagen oder Kopfhörersessions. So entsteht zumindest bei mir im Kopf eine sehr intime Atmosphäre des Musikhörens und ich kann mich in Songs wie dem fluffigen “Posi Vibes” oder dem genügsamen “You Don’t Exist” sehr gut hineinversetzen. Unaufgeregt, besänftigend. Und nicht das Schmunzeln vergessen, wenn du zum Beispiel Songs wie “How Much Should You Love A Husband?” hörst. Herrlich. Im Pressetext steht, dass “It’s Nice To Be Nice” als Mittelpunkt oder als Message des Albums herauszupicken ist. Dass es wichtig ist, sich selber richtig einzuschätzen und das beste bzw. netteste Ich stets abzubilden. Das erinnert mich an das Orange Blossom Special Festival, dass mich lehrte: It’s nice to be important, but it’s more important to be nice.
In diesem Sinne ist “Cool” ganz nice geworden.