Sprachmemos lassen sich nicht von alleine veröffentlichen. Nun sitze ich hier gemütlich bei Wein und einer Zigarette und lasse mir den Talk mit Benjamin von City Light Thief auf die Ohren geben. Es war Dezember, der 13. um genau zu sein. Wir saßen im Vorhof des artheaters in Köln. Wir befanden uns in Mitten des ersten Brot & Salz Festes. Ein Benefizkonzert zugunsten der Flüchtlingshilfe. Auf der Bühne standen glaube ich grade Astairre oder Abramowicz, beide im Übrigen eingesprungen für die damals erkrankten Adam Angst. Was für ein Event – auch so, ohne Adam. Mehr als toll, dass die beiden mega kurzfristig angefragten Bands sofort zugesagt haben. Tiger Youth eröffnete den Abend und später sollten noch Love A und KMPFSPRT folgen… und eben auch City Light Thief. Die Rheinländer brachten mit ihrer SHAME EP grade vier neue Stücke auf den Markt und gaben so nach 2 Jahren mal wieder was Neues von sich Preis – in der Tat war es neu. Weniger Geschrei, dreieinhalb Minuten Stadionrock? Nein ganz so schlimm nicht, aber eine Veränderung war dennoch greifbar. So fragte ich Sänger und Texter Benjamin Mirtschin mal aus über SHAME, wie das so ist grad bei City Light Thief und wie die Zukunft ausschaut.
____________
Jetzt ist es schon zwei Jahre her, dass Vacilando erschienen ist. Im heutigen Musikbiz ne Ewigkeit. Was habt ihr gemacht in den 24 Monaten? Wann entstanden die Songs zu Shame?
Vor allem haben wir wohl keine Songs geschrieben… Nein, in für uns ganz kurzer Zeit entstanden die Songs diesmal. Wir sind nicht so eine Band die 30 bis 50 Songs schreibt, alles aufnimmt und dann guckt welche die 10 besten sind. Wir schreiben mehr oder weniger die Songs die wir aktuell benötigen. 2014 war total gut für uns, mit vielen Konzerten, und so hatten wir richtig große Lust die nächsten Sachen hinterher zuschieben. Von Dezember 14 bis April 15 haben wir geschrieben und dann ging es ins Studio und wir haben die 4 Songs live aufgenommen.
Nehmt ihr immer live als Band auf? Die überwiegende Mehrheit zerstückelt ja eher die Songs in verschiedenen Parts, oder?
SHAME war jetzt die erste Platte, die wir komplett live aufgenommen haben. Wir haben erst die Musik komplett aufgenommen, und auch im Nachhinein gar nicht viel nachbearbeitet. Dann kam der Gesang. Es wurden alle Mirkofone in Reihe aufgestellt, getrennt wurden wir durch weiße Schallschutzwände, der Gesang wurde live über die Musik gesungen. Gesang und Musik muss aus technischen Gründen getrennt aufgenommen werden. Wir haben die Spuren dann aber auch unberührt gelassen, und so sind auch kleinere Fehler und der oder andere schiefe Ton zu hören.
Und wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Megazufrieden. Sonst ist es im Studio echt die Hölle. Aufreibende, lange Sessions – du kannst dich gar nicht oft genug verzetteln. Diesmal war es alles in 3 Tagen fertig. Du hast das Teil am Ende des Wochenendes mit nach Hause nehmen dürfen.
Jetzt ist grade die EP raus. Trotzdem brennt der Gedanke, weil es ja auch so ne Art Ankündigung sein kann, wann kommt die nächste lange Platte? Im schnelllebigen Musikbiz geht es ja razzfazz. Einige Konzerte folgen ja auch noch – aber habt ihr einen Plan was den nächsten Release betrifft?
Wir wollten eigentlich im nächsten Sommer schon wieder aufnehmen. Da müssen wir also auch bald anfangen zu schreiben. Das nächste soll auf jeden Fall wieder ein Album werden. Wir bleiben im Rhythmus Album, EP, Album, EP, Album, ….
Schwenken wir rüber zu euren Texten. Da fällt Plus + Plus natürlich sofort auf. Ein Song in dem ihr auf die fehlende Gleichberechtigung zwischen hetero- und homosexuellen Paaren aufmerksam macht und politischer werdet. Habt ihr euch beim Texte verfassen generell umorientiert? War es Absicht direkter zu werden?
Grundsätzlich teilen Tobi (Tobias Brings, Bass/Gesang) und ich uns die Texte. Grob im Verhältnis 40 / 60. Ich wollte irgendwie was anderes machen. Nicht so kryptisch sein. Ich wollte direkt und ehrlich sein, nicht so verschleiert, wie bisher manchmal. Mit Quick Fix fing alles an – Der Song geht quasi “gegen mich”. Danach dachte ich nur “Wow! Mehr geht nicht.” Ich hatte mich ziemlich fertig damit gemacht. Tobias nahm dies dann zum Anlass und verpackte meine Phase von Quick Fix im Song Wild Truth. Ich finde das Texteschreiben wirklich sehr schwierig. Ich mache es sehr gerne, finde es wahnsinnig wichtig. Aber ich kann nicht einfach, nur um die Zeile voll zu kriegen, eine Floskel in den Text reindrücken. Ich bewundere jeden Songwriter, der das kann und sich damit gut fühlt – bei mir funktioniert das leider nicht. Jeder Satz ist ein echter Kampf.
Auf Shame seid ihr etwas weggerückt vom Hardcore/Screamo Sound der anderen Platten, fast schon poppiger geworden – in eurem Sinne. Auf der Bühne betiteltet ihr Young You als Stadionhit. Ist das tatsächlich absichtlich gewesen, dass dieser Prozess der musikalischen Gangart sich verändert hat?
Das war schon beabsichtigt. Songs zu schreiben, ähnlich wie bei den Lyrics, die bei einem Thema bleiben. Songs, die nicht unbedingt 20 verschiedene Klangfarben haben. Bisher kam neben Strophe, Refrain, Strophe immer etwas rein bei uns, was mit dem Song gebrochen hat. SHAME sollte aber etwas geradliniger werden.
Aber dann doch sicher genau noch so geradlinig, wie es zu euch passt.
Es ging beim Ausdünnen der Songs ja nicht darum, irgendwie erfolgreicher zu werden. Wir denken echt in ganz kleinen Dimensionen. Wir wollten selbst herauszufinden ob wir sowas wie Plus + Plus schreiben können, bei dem der Hörer nach 3:20 sagt: Punkt. Aus. Da fehlt jetzt nix mehr. So haben wir es halt wirklich bewusst entschieden, dass die Tracks leichter verdaulich werden. Bei Younger You wird ja zum Beispiel gar nicht gebrüllt.
Wo soll es denn dann hingehen mit City Light Thief? Wenn ihr jetzt diesen Prozess so gut hinbekommen habt und die Resonanz ja super ist bis jetzt? Träume, Vorstellungen was die Band noch erreichen kann?
Also das nächste Album wird auf jeden Fall irgendwas in der Mitte zwischen unserem letzten Album Vacilando, welches eben nicht so leichte Kost ist, auf das wir auch wahnsinnig stolz sind, und eben SHAME, welches eher unkompliziert war. Wir werden also nicht nur 3.20 Minuten Songs machen. Wo es sonst noch hingehen soll? Schwer. Wir haben ja gar keinen Druck. Wir verkaufen nicht viele Platte, aber wir sind zufrieden. Wir dürfen wahnsinnig tolle Konzerte spielen, so wie das hier heute Abend. Uns geht es darum weiter zu machen – gesund weiter zu machen und gesund zu wachsen. Ein kleines Stück größer wirds ganz natürlich von selbst.
Wie haltet ihr euch finanziell am Leben? Studiokosten, Platten aufnehmen und produzieren, touren? Ihr habt ja alle noch einen “richtigen” Job nebenbei.
Unsere Platten verkaufen sich gerade so gut, dass das Label damit gerade auf 0 rauskommt. Da sind halt alles Kosten mit verbunden. Wir packen jeder nochmal einen gewissen Betrag drauf – dieser ist dann natürlich weg, das wissen wir. Das geht gar nicht anders. Bei SHAME jetzt hatten wir 120 Vorbestellungen. Das war eine enorme Hilfe. Nach einem Monat sind es vielleicht 250 Stück insgesamt. Das ist für uns schon viel.
Kann der finanzielle Aspekt irgendwas kaputt machen? Ich mein, ihr macht das alle zwar mit viel Herz, ihr lebt, schreibt und macht Musik in erster Linie für euch. Das Geld bereitet ja aber immer wieder Bauchschmerzen.
Das stimmt. Aber wir wissen, dass das Geld, dass wir in die Aufnahme stecken, nicht zurück kommt. Davon verabschieden wir uns und geben so wenig Geld aus, wie es geht. Die Leute, die mit uns für uns arbeiten wissen wie es um die finanzielle Situation bestimmt ist, und gemeinsam versuchen wir so viel wie geht mit so wenig Geld wie möglich zu machen.
Woher kam die Anfrage hier auf dem Brot & Salz zu spielen und wie lange habt ihr gebraucht um zuzusagen?
Null Sekunden. Daniel Rade, der die Veranstaltung hier macht, hat bei uns angefragt und ist schon lange ein guter Freund. Es ist eine wahnsinnige Ehre hier ein Teil von zu sein.
Engagiert ihr euch anderweitig für Refugees Welcome, ProAsyl und generell Organisationen, die helfen wollen und das auch tun?
Unser Bassist hat Jura studiert und leitet die Refugee Law Clinic (hier auch auf Facebook) an der Uni Köln, in der Flüchtlinge kostenlosen Rechtsbeistand bekommen. Das ist echt ne super Sache und da sollte sich jeder informieren. Ich selber habe für Unter Schaafen Records den Sampler Kein Mensch Ist Illegal zusammengestellt, mit dem wir bisher 25000 Euro gesammelt und gespendet haben.
Was guckt ihr euch heute hier auf dem ersten Brot & Salz Fest an?
Alles! Schade, dass Adam Angst abgesagt haben. Das wäre echt nochmal Wahnsinn gewesen. Und der Fakt, dass wir zwischen Love A und KMPFSPRT, wohl die angesagtesten und besten Bands im deutschen Punkrock, spielen dürfen, ist mehr als toll. Ich bin sehr gespannt, ob das funktioniert und ob wir ankommen.
____________
Das kamen City Light Thief. Ein Highlight war es damals im Dezember. Deshalb sollten auch so viele wie möglich am 19.03.2016 ins Gebäude 9 nach Köln strömen. Dann, wenn City LIght Thief ihr 200.Konzert geben – ihr bis dato größtes Konzert soll es werden. Und wer neben Love A, KMPFSPRT und all den anderen auf dem Brot & Salz bestehen kann, neue Fans gewinnt und sich dabei selber auf der Bühne ein Loch in die Buxe freut, der soll auch dieses entsprechende Erlebnis beschert bekommen. Dazu kann man die Band frisch von ihrem ersten England Trip willkommen heißen. Die Geschichte geht vorwärts, ständig.
Ein kontrollierter Ausschrei aus Richtung Hardcore und Screamo, bis hin zu neuen eingängigen Punkrockhymnen. Klickt euch durch ihre Songs, kauft SHAME und wühlt euch bis zur ersten Platte Laviin durch. Wir sehen uns im Gebäude 9.
On Tour:
- 04.02.16 – Wiesbaden, Schlachthof (mit mewithoutYou & The World Is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid To Die)
- 12.03.16 – London, Might As Well Fest II
- 19.03.16 – Köln, Gebäude 9 #konzert200
- 30.04.16 – Münster, Gleis 22
- 10.12.16 – Lüdenscheid, Midsummer Records 10 Year Anniversay