Es war ein Schock. Ein richtiger Schock und mir kullerten die Tränen. An reguläre Arbeit war am 18.Mai nicht zu denken. Zu tief saß der Schmerz, der Gedanke einen musikalischen Helden grade verloren zu haben. Nicht in Worte zu fassen war das, was ich fühlte. Die Verbindung zu Chris Cornell kam und hielt vor allem Stand durch die Nähe zu Pearl Jam aber auch wegen der Nähe zu Seattle, zur dort vorhandenen Musikszene. Der sogenannten Grungezeit, in der ich aufwuchs und alles aufsaugte, was mit Noise, Punk, Metal und Rock zu tun hatte. Chris und Soundgarden waren ein großer Teil davon. Diese Leidenschaft und dieser Schmerz mit der Cornell für seinen verlorenen Freund Andrew Wood 10 epische Songs aufnahm, der Mix aus Metal, Hardrock, Glamrock und einer Art Sludge aus den frühen Soundgarden Sachen.
Ich programmierte meinen Videorekorder immer für die Nacht von Sonntag auf Montag, um das Nachtprogramm von MTV aufzunehmen. Schließlich war am nächsten Tag Schule und eigene Entschuldigungen konnte ich mir aufgrund meiner erst 16 Jahre noch nicht selber schreiben. Vornehmlich schaute ich dann in der Aufzeichnung Headbanger’s Ball und 120minutes. Ich war begeistert wenn dieser raue Sound aus Seattle kam. Das Herz ging auf und ich fühlte mich sichtlich zu Hause in diesem ausdrucks- und gefühlsstarken Rock. Natürlich war ich mir in diesem Alter noch nicht der Einstellung von Cornell und Co. bewusst. Was es bedeutete, dieses Independent, dieses Alternative? Mir war ja noch nicht mal bewusst, dass Grunge ein Modebegriff war. Ich als 16jähriger war froh um MTV und um die Medienaufmerksamkeit. Dass damalige Idole oftmals pissig reagierten war eher cool, als dass ich es tatsächlich durchschaute. Es sollte nach 1992 noch extremer werden. Die Folgen und der erste Schock im Jahre 1994, als sich Kurt Cobain das Leben nahm, kennen alle. Trotzdem feierte ich Outshined und Rusty Cage ab, gleichzeitig lief Nirvanas Bleach Scheibe rauf und runter ohne zu wissen, dass Soundgarden einige Jahre zuvor mit der Screaming Life und Fopp EP bereits ähnliche und vielleicht sogar bessere LoFi Noise Tracks aufgenommen hatten. Vom Einfluss von Mudhoney bzw. Green River und Mother Love Bone ganz zu schweigen. Der Fokus beschränkte sich auf Nevermind (Nirvana), Ten (Pearl Jam), Badmotorfinger (Soundgarden) und Temple Of The Dog (Temple Of The Dog). Später folgten dann noch der Singles Soundtrack und Dirt (Alice In Chains). In dieser Zeit nahm ich Chris Cornell in mein Herz auf. Diese unbändige Stimme – laut, hart, hoch und tief und dann doch so unglaublich gefühlvoll, was vor allen in den Temple Of The Dog Songs deutlich wird.

Foto: Soundgarden, Facebook
Der Megaboom war natürlich Superunknown. Pearl Jam zogen sich schon 1993 mit Vs. medial zurück und Nirvana wollten mit In Utero extra eine noisige und hässliche Platte machen. Und Soundgarden? Die fabrizierten eine lyrische Schwarze Messe untermalt von eingängige Rockmelodien. Dass Black Hole Sun dann einen Monat nach Kurt Cobains Tod veröffentlicht wurde, verstärkte den düsteren Track dann noch zusätzlich in seiner Bedeutung als pechschwarze Hymne. Ende der Neunziger war die meiste Energie verflogen und der ganze Rockzirkus widmete sich nicht mehr ganz so tiefgründigen Bands. Die Aufmerksamkeit wandte sich ab von Seattle. Bands, auch Soundgarden, zerbrachen. Während Matt Cameron den logischen Schritt zu Pearl Jam vollzog, vollendete Cornell die Neunziger mit einem ersten Soloversuch. Es sollte sein bester sein. Die Zerbrechlichkeit seines empathischen Ichs wird vor allem in Preaching The End Of The World wiedergegeben.
Musikalisch langte das Schaffen der letzten 17 Jahre nicht mehr an den emotionalen Erfolg Cornells in meinem Herzen heran. Dennoch war Chris präsent. Stets war der Respekt groß aufgrund des geebneten Weges für andere Musiker, befreundete Künstler, wie er sie oftmals wahrscheinlich unbewusst führte und beeinflusste. Im E-Werk spielte Cornell den Temple Of The Dog Song Call Me A Dog auf seiner Akustikgitarre. Ich nahm jede Faser meines Körpers wahr, so intensiv war dieses Gefühl und die Erinnerung an damals. Und dann diese Stimme live zu erleben? Ich werde mich immer dran erinnern können. Als es zu den ersten Temple Of The Dog Reunions dann im Rahmen einiger Pearl Jam Shows kam, spürte ich die noch immer lodernde Glut in mir. Soundgardens Album von 2012, King Animal, war ein gelungenes Comeback, dann kam noch ein Solo Album Cornells und schließlich die große Temple Of The Dog Tour zum 25jährigen Jubiläum ihres einzigen Longplayers von 1990. Und jetzt war Soundgarden wieder unterwegs. Es schien doch alles in Ordnung zu sein. Es schien…
Über den Tod Cornells bin ich immer noch sehr erschüttet und voller Emotionen. So werde ich wohl nach der nächsten Party oder dem nächsten Konzert emotionsgeladen nach Hause kommen, mir eine Flasche Bier aufmachen und alte Cornell und Soundgarden Songs anhören. Seit dem Tod von Elliott Smith, setze ich unter einige Nachrichten ein “xo”. Als Zeichen, dass es mir was bedeutet.
Machs gut Chris, xo.