Chamberlain
Red Weather
Arctic Rodeo Recordings
VÖ: 30.11.2020
Puuh, Simon und ich haben in den vergangenen Wochen mal etwas Abstand von I CAN GUARANTEE gebraucht. Familie, Job und die komplette Gesamtsituation sind für uns alle nicht einfach, da ist manchmal einfach kein Platz für Musik. Zumal Konzerte sowieso so gut wie nicht stattfinden und neue Musik nicht immer die mentale Verfassung widerspiegeln kann.
Corona hat für mich persönlich in den vergangenen Monaten den Blickwinkel auf viele eigentlich selbstverständliche Dinge verschoben. Soziale Medien machen keinen Spaß mehr, da sich dort einfach zu viele Arschgeigen sammeln und ihre unreflektierte (politische) Meinung herausposaunen ohne davor Halt zu machen, ihre jetzige (sicherlich nicht für jeden einfache) Situation mit der von Anne Frank oder Sophie Scholl zu vergleichen. Muss man sich mal vorstellen. Was das alles mit der neuen Chamberlain-Platte zu tun hat? Nichts! Und ich entschuldige mich bei Frederick von Arctic Rodeo Recordings und der Band für diese Einleitung. Aber hey, musste raus. Aber auf der anderen Seite sollte man sich im jetzigen zweiten Lockdown auch wieder mit Dingen beschäftigen, die Spaß machen und die einem etwas bedeuten. Für mich spielt da Musik eine außerordentlich große Rolle.
“Red Weather” von Chamberlain ist ein guter Start nach 10 Wochen Musikabstinenz. Denn “Red Weather” ist ein ganz wunderbares Album geworden ist. Überraschend wunderbar sogar. Denn eigentlich hatte ich die Band schon vor einiger Zeit zu den Akten gelegt. Chamberlain hatten sich schon vor langen Jahren aufgelöst und sich nur für eine EP und eine Tour mit The Gaslight Anthem erneut zusammengetan. Beides ist jedoch komplett an mir vorbei gegangen. “Red Weather” ist somit das erste “richtige” Album der Band aus Indianapolis seit 1998. Die erste Single “Some Other Sky”, die anlässlich der Europatour 2019 als limitierte Vinyl 7″ veröffentlicht wurde, deutete es bereits an: Die Band, hat sich weiterhin dem Country verschrieben. Kein Punk, kein Hardcore und auch kein Emo (mehr). Hier spielt Bruce Springsteen eine große Rolle. Die Slide-Gitarre ist konstanter Bestandteil der Songs und nur manchmal schimmern Bassläufe oder Gitarrenläufe auf, die wir von “früher” kennen. Übrigens, die Split-EP Chamberlain/Old Pike ist bis heute eine sehr zu empfehlende Veröffentlichung.
Entstanden ist “Red Weather” in Nashville (wo sonst?) unter der Regie von Carl Broemel, hauptberuflich Gitarrist bei My Morning Jacket. “Für Fans von The Gaslight Anthem und den Soloalben von Brian Fallon” würde man heute wohl schreiben, dabei ist es trotz der gesanglichen Nähe soviel besser und vielseitiger, als die letzten Werke von Fallon und seinen Kumpels. Der Opener “Not Your War”, mit seinem groovigen Anfangspart macht direkt irrsinnig viel Spaß. Das treibende “Every Trick In The Book” lässt dann erneut aufhorchen, während das eher akustisch gehaltene “Take What You Can Get” das Album wieder ein ganzes Stück zurückfährt.
“Red Weather” ist kein Hitalbum und Chamberlain keine Hitband. Aber sowohl das Album, als auch die Band machen im Jahr 2020 wieder viel Spaß. Das Album tröstet und spendet Wärme in einer immer kälter werdenden Zeit der eigenverantwortlichen Isolation. Für mich genau das, was es gerade braucht. Danke.