Es gibt Konzerte, die sind auf ganz vielen verschiedenen Ebenen großartig. Da spielt der Sound eine Rolle. Oder die Stimmung im Publikum. Aber am Ende steht und fällt es natürlich hauptsächlich mit den Bands, die man an dem Abend sieht. Und hier und heute im Zakk, mit Shoreline und Boysetsfire auf der Bühne, passt einfach alles.

Ich bin von Natur aus eher kritisch und sehe oftmals zuerst das (vermeintlich) negative. Eine Tatsache, die mir am Ende des heutigen Abends in allen Einzelheiten um die Ohren fliegen wird. Aber fangen wir von vorne an. Zuerst einmal wundere ich mich über die 40 Euro Abendkasse. Irgendwie bin ich hier in der Vergangenheit stehen geblieben und komme nicht darauf klar, dass das nun die Preise sind, die bei Hardcore-Shows aufgerufen werden. Auch wenn ich natürlich weiß, wie sich diese Preise zusammensetzen und wie viele Menschen davon leben und/oder Rechnungen bezahlen müssen. Nun gut.

Ein paar Minuten später kommen auch schon Shoreline auf die Bühne. Die Band hatte mit “Growth” eines der für mich besten Alben der vergangenen zwei Jahre veröffentlicht und eigentlich bin ich hauptsächlich wegen des Quartetts aus Münster hier. Sänger und Gitarrist Hansol Seung kommt jedoch komplett übermotiviert und leicht ‘overacted’ auf die Bühne. Paulus also fast schon wieder genervt… Aber, und an diesem Punkt wird mir klar, dass mein Mindset momentan einfach beschissen ist… warum sollte er das nicht tun? Die Band spielt vor ihren Jugendhelden Boysetsfire, deren Sänger Nathan Gray sich einen Großteil des Konzerts vom Bühnenrand anschaut. Wenn man als junge Band alles geben kann und soll, dann doch bitte genau an solch einem Abend. Die kommenden 40 Minuten lassen mich dann auch fassungslos zurück. Ich wusste, dass die Band live gut sein soll. Aber was Shoreline heute auf der Bühne des Zakks zum Besten geben, ist schlicht Wahnsinn. Songs wie “Distant”, “Meat Free Youth” und “Disconnected” sind einfach unglaublich gut und die Energie auf der Bühne fast schon greifbar. Vor “Konichiwa” erzählt Hansol von seinen Erlebnissen in der Hardcore-Szene als Musiker mit koreanischen Wurzeln. “Denkt immer dran, wenn mehr als 20 Leute da sind, ist mindestens ein Arschloch dabei. Also passt auf Euch auf.” Ja, so ist es. Tolle Band, toller Song, toller Auftritt.

Apropos mehr als 20 Leute. Nachdem Shoreline immer mehr Menschen in den Saal ziehen können, kann man die wundervolle Mischung des Publikums erkennen. Alt und jung und mit einem hohen Anteil weiblicher Besucher, was ich bei Hardcore-Shows immer toll finde. Die Stimmung ist super und man merkt, dass alle diesen Abend hier gemeinsam zelebrieren möchten.

Pünktlich um 21 Uhr kommen dann Boysetsfire auf die Bühne. Ich kenne die Band schon sehr lange und verfolge sie im Prinzip seit der Veröffentlichung von “After The Eulogy”. Ich fand sie immer okay, aber so richtig weggeblasen haben sie mich nicht. Und das, obwohl ich “My Life In The Knife Trade” für einen der besten Songs aller Zeiten halte. Auch die wenigen Male die ich sie Live gesehen habe, hatten sie keinen größeren Eindruck auf mich gemacht. Auch hier werde ich heute eines Besseren belehrt. Die Band beginnt mit dem Titeltrack des oben genannten Albums und sofort ist klar, wer hier Chef im Hause ist. Die Band spielt tight, der Sound ist gut und Nathan Gray strahlt mit seinen Mitstreitern auf der Bühne um die Wette und rundet so das positive Gesamtbild ab. Ich bin begeistert von dieser absolut grandiosen Darbeitung.

Die Setlist ist zudem brillant gewählt. Egal ob, “Requiem”, “My Life In The Knife Trade”, “Empire” oder “Rookie”, Band und Publikum feiern sich völlig zu recht ab. Ich stehe auf der Empore des Zakks und merke, wie sehr mir das alles in den vergangenen Jahren gefehlt hat. Wie sehr mir auch die positive Attitüde – die Bands wie Shoreline oder gerade auch Boysetsfire auf der Bühne versprühen – gefehlt hat. Ich denke noch einmal über den Eintrittspreis nach, sehe rundum glückliche Gesichter und ärgere mich über meine negative Grundstimmung, die ich noch vor zwei Stunden hatte. Das eine ist Geld, das andere ein Gefühl der Euphorie, dass man eh nicht in Euros aufwiegen kann. Wie sagte Gray während der Show? Wir sollten uns einfach öfter vor Augen führen, dass unsere Zeit hier endlich ist und man diese Zeit einfach besser und positiver nutzen sollte (Anm. d. Red.: sinngemäß). Und ja, vielleicht sollte ich wieder öfters das Positive in den Dingen sehen.

Danke für diesen großartigen Abend, von dem ich hoffentlich noch lange zehren werde.

WebseiteBoysetsfire FacebookShoreline InstagramBoysetsfire Bandcamp